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Film

Serienboom: Woher kommt das Phänomen?

Bettina Baumann
8. Mai 2018

"Breaking Bad", "House of Cards", "Mad Men": US-Serien werden von Zuschauern und Kritikern gelobt. Ernstzunehmende Konkurrenz aus Deutschland ließ lange auf sich warten. Was macht eine gute Serie aus? Eine Spurensuche.

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Filmstill aus "Breaking Bad" mit Bryan Cranston und Aaron Paul (Bild: ddp images / Ben Leuner / AMC / Taschen-Verlag)
Bryan Cranston (l.) und Aaron Paul (r.) in "Breaking Bad"Bild: ddp images / Ben Leuner / AMC / Taschen-Verlag

Es gab eine Zeit, da hieß es: Zeig mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist. Heute könnte es auch heißen: Zeig mir, welche Serien du guckst, und ich sage dir, wer du bist.

Spätestens seit dem Launch von Netflix in Deutschland 2014 sind Serien in aller Munde. Vor allem die Inhalte von Bezahlanbietern aus den USA, insbesondere HBO, haben das Genre stark verändert und üben längst auch Einfluss auf das serielle Erzählen in Deutschland aus. Noch nie zuvor war das Serienangebot so groß, waren die Geschichten so unterschiedlich. Die USA als Vorreiter auf dem Gebiet zu bezeichnen, wäre allerdings nur die halbe Wahrheit.

Über die Herkunft von Serien

Tatsächlich nahmen TV-Serien in den USA ihren Anfang. Orientiert an Radioserien, waren sie von Anbeginn der Fernsehgeschichte im US-Fernsehen präsent. Familien-, Abenteuer- und Westernserien dominierten und kamen in Form sogenannter Episoden-Serien daher, bei denen die Zuschauer eine in sich abgeschlossene Geschichte pro Folge sahen. Ehe Serien im Fernsehen liefen, gab es sie aber auch schon im Kino. Sie hießen "Serials". "Fantomas" oder "Batman und Robin" sind bekannte Beispiele für diese Gattung.

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Still aus der Serie "Father Knows Best" mit einer Familie am Essenstisch.  (Imago/Cinema Publishers Collection)
Vom Radio ins Fernsehen: Die Familien-Sitcom "Father Knows Best" war eine der ersten TV-SerienBild: Archiv Robert Lebeck

Die Fortsetzungsserie, die heutzutage gängig ist, breitete sich erst in den 1980ern allmählich aus - dazu zählt unter anderem "Dallas" - und wurde Ende der 1990er mit dem US-Pay-TV-Sender HBO so richtig populär. "Mit Serien wie 'The Sopranos' und 'The Wire' hat HBO hat eine ganz klare Vorreiterrolle. Zuvor war die Serie eher mit dem Begriff Eskapismus etikettiert, und nun war die Serie so etwas wie der neue Roman - mit mehr und komplexeren Charakteren", erläutert Gregory Mohr vom Institut für empirische Film,- Theater- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz im DW-Interview.

Römisches Relief, das ein Schiff mit mehreren Ruderern zeigt.
Eine der frühesten Serien, wenn man so will: die Irrfahrten des Odysseus in der griechischen MythologieBild: picture-alliance/akg-images/Erich Lessing

Und trotzdem: Serielles Erzählen ist keine Erfindung des amerikanischen Fernsehens der 1990er-Jahre, wie Joachim Friedmann, Professor für Serial Storytelling an der Internationalen Filmschule (ifs) Köln, weiß. Serielles Erzählen sei ein "transhistorisches und transkulturelles Phänomen" und habe bereits in der Antike mit Homers "Odyssee" und dem indischen Epos "Mahabharata" begonnen.

Warum die Amerikaner so gute Serien produzieren

Inzwischen kommen auch immer mehr Qualitätsserien aus Europa, doch bis heute trumpfen die USA mit den meisten preisgekrönten Serien auf. Die zahlreichen von den Feuilletons gelobten Serien aus den USA kommen nicht von ungefähr. Tac Romey, der an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) serielles Erzählen lehrt und in den USA in Schauspiel, Regie und Dramaturgie graduierte, nennt Gründe dafür: "In den USA hatten die Serien schon immer ihre Staffeln, für die zwischen 22 bis 24 Episoden geschrieben wurden. Das heißt, während produziert wurde, hat ein Autorenteam im sogenannten Writers Room immer noch geschrieben." Das ermöglichte, dass ein Autor, der einen besonderen Zugang zu dem Thema der Folge hatte, eine Episode schreiben konnte. Wenn man außerdem "während der Ausstrahlung merkte, ein bestimmter Handlungsstrang ist besonders spannend, konnten die Autoren gezielt darauf reagieren". In Deutschland wurde meist erst geschrieben, dann produziert und schließlich ausgestrahlt. So etwas führe zu "erheblichen Qualitätsunterschieden", erklärt Romey im Gespräch mit der DW.

Schwarz-weiß-Foto von Professor Tac Romey an der HFF München.
Tac Romey ist Autor, Produzent und Professor für Serielles ErzählenBild: HFF München

Ein anderer Grund, der die USA zum Vorreiter im Bereich Qualitätsserien machte, ist das Bezahlfernsehen, das dort bereits in den 1980ern viele Abonnenten hatte. Wer sein zahlungswilliges Publikum bei der Stange halten wollte, musste etwas bieten, das die Zuschauer im Free-TV nicht bekommen konnten. "So wurden all die moralisch ambivalenten Figuren geboren", sagt Romey.

Filmstill aus der Serie "Bad Banks".
Die deutsche Serienproduktion "Bad Banks" orientierte sich teilweise am US-Modell: Sie entstand im Writers RoomBild: Letterbox/Sammy Hart

Eine weitere wichtige Rolle spiele laut Romey das Konzept des Showrunners, das sich mittlerweile ebenfalls in Deutschland immer mehr etabliere. Der Showrunner - das kann entweder ein Drehbuchautor oder ein Team von Autoren sein - verantwortet die komplette Serie. Er trifft Entscheidungen beim Cast, bei der Ausstattung und der Regie, übernimmt diese womöglich sogar selbst. "Die Geschichte ist damit aus einem Guss hergestellt", erklärt Romey.

Während in den USA und Deutschland verschiedene Produktionsstrukturen gewachsen sind, haben Serien, ganz egal wo sie entstehen, auch einige verbindende inhaltliche Elemente.

Foto von Joachim Friedmann, Professor für Serial Storytelling an der ifs Köln. (ifs)
Joachim Friedmann, Serienautor und Professor für Serial Storytelling in KölnBild: Nataly Savina

Die Zutaten einer guten Serie

 "Stark vereinfacht gesagt: Filme handeln von Dingen, Serien von Menschen", sagt Joachim Friedmann von der ifs Köln. Das sei ein wesentlicher Unterschied. Damit eine Serie funktioniere, brauche es gute Charaktere und ein unlösbares Problem, das über viele Episoden einen Konflikt ermöglicht. Aber auch ein Ziel des Protagonisten sei eine wichtige Komponente, meint Tac Romey. "Es kann darin bestehen, dass der Held oder die Heldin mit einer bestimmten Person zusammen sein oder Präsident der Vereinigten Staaten werden möchte." Der Zuschauer müsse das Ziel nachvollziehen können und es sollte eine gewisse Empathie geweckt werden. Der Antagonist, der sich dem Helden in den Weg stellt, sei ebenfalls ein klassisches Stilmittel des seriellen Erzählens. 

Die Zukunft von Serien

Die Serie hat sich seit ihren Anfängen enorm weiterentwickelt - von der Episodenserie zur Fortsetzungsserie, vom klassischen Helden hin zum moralisch fragwürdigen Antihelden. Und zu guter Letzt ist sie vom Fernsehbildschirm auf Tablets, Notebooks oder Smartphones gewandert. In Zukunft soll es - neben den in Deutschland bereits erfolgreich etablierten Anbietern Netflix, Amazon und Sky - weitere Streamingdienste geben. Sowohl Disney als auch Apple wollen mit eigenen Serienproduktionen im kommenden Jahr an den Start gehen.

Der aktuelle Serienboom sei eine Riesenchance für Drehbuchautoren, sagt Friedmann. "Es ist wirklich die beste Zeit in der Geschichte der Menschheit, um Serienautor zu sein." Aber auch er fragt sich, wer den ganzen Content noch gucken soll: "Es gibt einfach ein Überangebot."

Junge im Wald vor einem Polizei-Absperrband
Die Autoren der ersten deutschen Netflix-Produktion "Dark" sind Absolventen der HFF MünchenBild: Netflix

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Tac Romey meint, dass Mystery-Serien wieder stark im Kommen seien. Und während wir derzeit die große Phase der Dramaserien mit ihren moralisch ambivalenten Figuren erleben, beobachtet der Produzent und Autor zugleich eine gegensätzliche Entwicklung: "Es gibt viele, die sagen: Ich möchte auch mal wieder etwas Positiveres, etwas nicht so Brutales, ich möchte mich gut fühlen. Wir brauchen nur ans Handy zu gehen und werden bombardiert mit Themen, wo wir nichts machen können. Es gibt eine Sehnsucht, auch ein bisschen heile Welt zu sehen."