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Serbien: Mühsame Aufarbeitung der Kriegsverbrechen

16. Juni 2005

Nach Veröffentlichung von Video-Aufnahmen des Massakers in Srebrenica wird in Serbien über die Vergangenheit diskutiert. In Belgrad setzte sich die Konferenz „Srebrenica – keine Zweifel“ mit dem Thema auseinander.

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Trauer um die Opfer von SrebrenicaBild: AP

Die Srebrenica–Konferenz am 11. Juni in Belgrad begann mit einer Schweigeminute zum Gedenken an alle Opfer des Verbrechens vor zehn Jahren. Die Direktorin des Fonds für Menschenrechte, Natasa Kandic, rief alle Anwesenden mit dieser Geste auf, zum ersten Mal offiziell in Serbien der Srebrenica-Opfer zu gedenken: „Wir sind heute zusammen mit den Müttern und Kindern dieser Opfer, den Opfern jener serbischen Kräfte, die damals nach eigenen Angaben ein serbisches Srebrenica schaffen wollten. Wir haben sie eingeladen, um ihnen noch einmal zu sagen, wie wichtig sie uns sind.“

Verbrechen werden immer noch geleugnet

Zehn Jahre nach dem Massaker in der ostbosnischen Stadt werde dieses Verbrechen in Serbien immer noch geleugnet, sagte Kandic. Dazu gehöre auch das unwürdige Schauspiel im serbischen Parlament, in dem sich die Parteien immer noch nicht auf eine Verurteilung aller Kriegsverbrechen einigen konnten.

Ivana Dulic-Markovic, Ministerin in der Regierung Serbiens, hob hervor, man hätte schon viel früher über die Verbrechen sprechen müssen. So ist ihrer Meinung nach heute nur noch möglich, Scham zu empfinden und den Kopf zu senken. „Unsere gemeinsame Schuld verdanken wir der Tatsache dass, wir nicht besser gearbeitet haben“, gestand Dulic-Markovic ein.

Der Vizepräsident des montenegrinischen Parlaments, Rifat Rastoder, schlug vor, Srebrenica solle eine Gedenkstätte, ein Ort des Vergebens werden. „Ich kann nicht behaupten, dass in Montenegro Verbrechen weniger geleugnet werden als in Serbien“, räumte er ein.

Verbrechen aufdecken und verurteilen

Milan St. Protic, Präsident des politischen Rates der serbischen christdemokratischen Partei, betonte, man habe die Gelegenheit verpasst, die Wahrheit über die Massaker aufzudecken und zu verurteilen. Die Wahrheit werde erst jetzt aufgedeckt, nachdem das Video über die brutale Ermordung von Muslimen aus Srebrenica öffentlich gemacht worden sei:

„Der regierenden Klasse in Serbien fehlt zur Auffindung der Wahrheit immer noch der Mut. Sie verstecken sich hinter dem Volk, sie verstecken sich hinter den großen nationalen und staatlichen Interessen, sie verstecken sich, weil sie zu feige sind, um zuzugeben was passiert ist“, so Protic. Er hoffe, eines Tages werde Serbien von Leuten regiert werden, die in der Lage seien, sich im Namen der Serben für alle begangene Verbrechen aufrichtig zu entschuldigen.

Deutschland als Vorbild

Michael Derus, Leiter der politischen Abteilung der deutschen Botschaft in Belgrad, bemerkte, deutsche Erfahrung könne in Serbien und Montenegro bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit hilfreich sein. Er betonte, für das Staatenbündnis sei es wichtig, die Hinterlassenschaft der Milosevic-Ära zu überwinden. Das sei unter anderem durch die volle Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegstribunal möglich, sagte Derus.

„Srebrenica ist zweifellos geschehen“

„Das Srebrenica-Verbrechen ist zweifellos geschehen. Es besteht aber immer noch eine starke Tendenz zur Negierung in der Öffentlichkeit“, stellte Roderick Moore, der stellvertretende UN-Botschafter in Belgrad, fest. Er und Aleksandra Milenov, die Koordinatorin des Belgrader Büros des Haager Kriegsverbrecher-Tribunals (ICTY), waren sich einig, durch die Aufarbeitung des Srebrenica-Falles werde keinesfalls die serbische Bevölkerung für die Verbrechen verantwortlich gemacht. „Wir sind nicht hier, um die Opfer auf der serbischen Seite zu negieren, das Tribunal hat schon sehr viel für die Annerkennung der serbischen Opfer getan“, so Milenov.

Die Konferenz „Srebrenica – keine Zweifel“ ist Teil des Projektes “Kritische Betrachtung der Leugnung der Kriegsverbrechen in Serbien und Montenegro“. Das Projekt wurde von dem Europarat, der OSZE- Mission in Serbien und Montenegro, dem Institut „Open Society“, sowie der deutschen und der dänischen Botschaft in Belgrad ins Leben gerufen.

Ivica Petrovic, Belgrad,

DW-RADIO/Serbisch, 11.6., Fokus Os-Südost