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Serbien-Montenegro in der Krise: EU muss sich entscheiden

3. März 2005

Der Staatenbund Serbien-Montenegro könnte bald vollständig zerfallen. Die Zukunft der Region hängt wieder einmal von der Haltung der Europäischen Union ab, meint Klaus Dahmann in seinem Kommentar.

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Schon vor zwei Jahren zweifelte niemand daran, dass der Staatenbund Serbien-Montenegro nur ein Provisorium sein würde. Eine Zwischenlösung, die den letzten Zerfalls-Schritt des ehemaligen Jugoslawien nicht verhindert sondern nur aufschiebt. Der frühere montenegrinische Präsident und jetzige Ministerpräsident, Milo Djukanovic, hat vor langer Zeit begonnen, zwischen Podgorica und Belgrad systematisch eine Brücke nach der anderen anzusägen: Gegen den Willen der Europäischen Union machte er die D-Mark und später den Euro zum einzigen Zahlungsmittel in seinem Reich. Dann folgten Kontrollen an der Grenze zu Serbien. Und nun hat Djukanovic mit Erfolg die fälligen Wahlen zum Bundesparlament verhindert.

Kein Interesse an "Zerstückelung" der Region

Nur mit Mühe konnte die EU 2003 Podgorica und Belgrad zur Kompromissformel "Staatenbund" überreden. Djukanovic war schließlich bereit, sich bis 2006 mit dem geplanten Unabhängigkeits-Referendum zu gedulden - ein Spiel auf Zeit. In Brüssel hatte niemand Interesse an einer weiteren Zerstückelung der Region. Denn sollte sich Montenegro vollständig von Serbien loslösen - das war klar -, dann könnte man auch den Kosovo-Albanern nicht mehr die Unabhängigkeit verwehren. Das ursprüngliche Dogma, dass die Kosovaren erst einmal demokratische Standards erfüllen müssen, bevor die Status-Frage auf die Tagesordnung kommt, hat man ohnehin aufgeweicht - nun wird über beides gleichzeitig verhandelt. Zerfällt aber Serbien-Montenegro, könnte das Thema Standards gänzlich in den Hintergrund rücken.

Katastrophale Bilanz

Klar ist aber auch: Die Bilanz nach zwei Jahren Staatenbund ist katastrophal, das Spiel auf Zeit hat unterm Strich nichts gebracht. Staatsoberhaupt Svetozar Marovic und Außenminister Vuk Draskovic stehen weitgehend alleine. Sie haben keine Unterstützung in Montenegro, weil Djukanovic den Staatenbund ablehnt und die Unabhängigkeit will. Und Serbiens Regierungschef Vojislav Kostunica zeigt ihnen die kalte Schulter, weil sie nicht seine politische Linie verfolgen. Marovics Geste, sich für die Verbrechen in Kroatien und Bosnien zu entschuldigen, wurde mit ebensolcher Gleichgültigkeit aufgenommen wie Draskovics Beteuerungen, mit Den Haag kooperieren zu wollen. Denn: in wessen Namen sprechen sie?

Kostunicas Sturköpfigkeit im Dialog mit der EU kommt Djukanovic übrigens sehr gelegen: Er selbst gibt sich überaus EU-freundlich. Und betont im gleichen Atemzug, dass er doch nichts für Kostunica könne und Montenegro deshalb nicht der Weg in die EU versperrt bleiben dürfe.

Entscheidung gefragt

Die Europäische Union muss sich nun zwischen zwei Optionen entscheiden: Entweder sie hält an ihrer bisherigen Linie, Serbien und Montenegro nur im Verbund eine Beitrittsperspektive zu geben, fest. Das wäre aber wieder nur ein Spiel auf Zeit. Dass Djukanovic weiter Fakten schafft und ohne Rücksicht auf Verluste den Weg in die Unabhängigkeit beschreitet, könnte man nicht verhindern. Oder die EU geht die Frage Montenegro und Kosovo offensiver an - und setzt mit der Drohung, beide als souveräne Staaten anzuerkennen, die serbische Regierung unter Druck. Brüssel muss sich zwischen diesen zwei Optionen entscheiden. Und zwar sehr bald.

Klaus Dahmann
DW-RADIO, 3.3.2005, Fokus Ost-Südost