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Politik

Krieg der Spione oder PR-Zirkus?

31. Oktober 2016

Wenn man der serbischen Regierung glaubt, sind "westliche und östliche" Geheimdienste in dem Balkanland besonders aktiv. Vergangene Woche sollen mehrere russische und ein amerikanischer Spion aufgeflogen sein.

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Serbien Premierminister Aleksandar Vucic
Bild: picture alliance/AP Photo/D. Vojinovic

Die Geschehnisse der letzten Woche überfordern auch die serbische Öffentlichkeit, die an Skandalgerüchte durchaus gewohnt ist. Schon seit vier Jahren veranstaltet Ministerpräsident Aleksandar Vučić immer wieder dramatische Pressekonferenzen, die regierungstreue Sender live übertragen. Mal schimpft er auf das Kosovo, mal auf politische Konkurrenten. Dann wieder werden Pressekonferenzen dringend einberufen, um den angeblich bevorstehenden wirtschaftlichen Aufschwung anzukündigen. Doch diesmal gab es wirklich pikanten Stoff: Es ging um Spionage, einen vereitelten Putsch und um das kleine, unbeugsame Serbien, das die großen - "sowohl westliche als auch östliche" - Mächte angeblich nicht in Ruhe lassen wollen.

Putschversuch in Montenegro?

Der Anlass: Während die Bürger der Nachbarrepublik Montenegro Mitte Oktober an die Urnen gerufen wurden, wurden dort medienwirksam 20 serbische Bürger festgenommen. Sie sollen einen Putsch gegen den scheidenden Regierungschef Milo Djukanovic geplant haben, weil er das kleine Adrialand in die NATO führen will. Die Putschisten wollten angeblich der Opposition an die Macht verhelfen, der nachgesagt wird, sie werde aus dem Kreml gelenkt. Es ist kein Geheimnis, dass Russland die NATO-Erweiterung kritisch sieht. Die Entwicklung Montenegros ist schmerzhaft für den Kreml, nicht nur, weil das kleine Land traditionell russlandfreundlich ist, sondern auch, weil die NATO mit der bevorstehenden Aufnahme Montenegros den letzten Abschnitt der Adriaküste schließt, den dem westlichen Militärbündnis bis jetzt fehlte.

Milo Djukanovic Premierminister Montenegro
Nach dem Sieg seiner Partei bei der Parlamentswahl in Montenegro hatte Djukanovic überraschend seinen Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten angekündigtBild: picture-alliance/dpa

Der prowestliche Djukanovic konnte die Wahl knapp gewinnen – die Verhaftung am Wahltag hat ihm dabei entscheidend geholfen, meinen viele Kritiker. Nun legte sein serbischer Amtskollege Vučić nach: Es sei wirklich ein Staatsstreich in Montenegro aus Serbien aus koordiniert worden. Der serbische Premier wurde aber nicht konkreter, und so rätselt man, ob die russischen Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben. Nicht wenige Beobachter halten auch diese Episode für einen PR-Zirkus. Denn der autokratisch regierende Vučić stellte nur fest, dass Serbien unabhängig bleiben werde und er keine Marionette der Weltmächten sei.

"So eine unklare Situation ist für Populisten ideal", meint Miloš Vasić. Der erfahrene Journalist der Wochenzeitung "Vreme" war früher selbst Polizist und wundert sich, dass die Regierung lauthals über Spione redet, ohne dass es Verhaftungen gibt. Alles sei eine Schau, um von den wirklichen wirtschaftlichen Problemen und Machenschaften abzulenken: "Wenn die Regierung keine Argumente hat, wird gerne über ausländische Spitzel, einheimische Verräter und angeblichen Fremdagenten geredet", sagte Vasić der DW.

Mysteriöser Besuch von Patruschew

Die Phantasie über einen "Krieg der Spione auf dem Balkan" wurde vergangenen Dienstag weiter befeuert, als der Generalsekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, höchstpersönlich nach Belgrad kam, offiziell, um die Zusammenarbeit zweier befreundeter Staaten im Sicherheitsbereich zu vertiefen. Doch mehrere serbische Zeitungen berichteten übereinstimmend, dass Patruschew drei entlarvte russische Spione aus Belgrad ausgeflogen habe. So sei eine öffentliche Blamage verhindert worden, schreibt auch die Moskauer Zeitung "Kommersant". Sowohl der serbische Innenminister als auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dementierten die Berichte. Offiziell also bleibt alles bestens in den Beziehungen zwischen den beiden orthodoxen Ländern.

Putin in Belgrad 16.10.2014 Fans bei der Militärparade
In Serbien ist Russlands Präsident Putin beliebtBild: AFP/Getty Images/Andrej Isakovic

"Weil wir so wenige belastbare Informationen haben, sind wir gezwungen, die Worte des Premiers zu deuten. Wenn die Fakten fehlen, kann sie jeder nach Belieben interpretieren", kritisiert Sofija Mandić vom Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik. "Wenn tatsächlich ausländische Geheimdienste in Serbien oder Montenegro terroristische Aktionen planen, stellt sich die Frage, warum öffentlich darüber geredet wird, ohne dass es zu einem Strafverfahren kommt. Und wenn wirklich einige russische Staatsbürger aus Serbien ausgewiesen worden sind, fragt man sich auch da, warum sie nicht verhaftet wurden", sagt Mandić im DW-Gespräch.

Damit nicht genug: Letzte Woche hieß es, dass ein ranghoher ehemaliger Beamter der serbischen Kriminalamtes schon länger geheime Informationen an die amerikanische CIA verkauft habe. Die Belgrader Zeitung "Blic" veröffentlichte auch den Namen und Details.

Angebliche Spitzelaffären bieten Stoff für Verschwörungstheorien, die ohnehin in Serbien ein Nationsport sind. "Das sind allerdings Träume der serbischen Nationalisten“, meint der Journalist Miloš Vasić. "Die einzige geopolitische Bedeutung unseres Landes ist, dass hier wichtige Verkehrswege verlaufen. Wir sollten uns von daher eher um bessere Zugverbindungen bemühen statt uns mit Übertreibungen die Zeit zu vertreiben."

Ein Waffenfund

Doch am Samstag kam es noch brisanter: Die Polizei stellte ein Waffenarsenal sicher, das unweit der Wohnung von Premier Vučić vergraben war. Ein Raketenwerfer, vier Handgranaten und Gewehrmunition. Obwohl sich der Regierungschef am darauffolgenden Tag gelassen gab - die Waffen stammten wahrscheinlich aus den Kriegen in Bosnien und Kroatien in den 90er Jahren und hatten mit ihm nichts zutun -, witterten schon seine Minister und einige Boulevardblätter das angeblich geplante Attentat. "In dieser Gasse wollten sie Vučić mit einem Raketenwerfer zerstückeln", so steht am Montag fett auf der Titelseite der regierungsfreundlichen Zeitung "Informer". Die Übertreibungen mit PR-Effekt, so scheint es, fangen erst an.