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Politik

Brasiliens Senatspräsident vorläufig abgesetzt

6. Dezember 2016

Schon wieder eine Amtsenthebung: In Brasilien hat das Oberste Gericht den Präsidenten des Senats, Calheiros, vorläufig aus dem Amt entfernt. Der Vertraute von Staatspräsident Temer ist wegen Korruption angeklagt worden.

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Brasilien Renan Calheiros
Bild: Agência Senado/Marcos Oliveira

Ein Sprecher des Obersten Gerichts Brasiliens sagte, die Amtsenthebung des Senatspräsidenten Renan Calheiros gelte mit sofortiger Wirkung. Die Suspendierung sei auf Antrag der Oppositionspartei Rede beschlossen worden und müsse noch von einer Mehrheit der Richter bestätigt werden. Calheiros behält allerdings seinen Sitz im Senat und kann die Entscheidung anfechten.

Der 61-Jährige war in der vergangenen Woche angeklagt worden. Er soll 2005 öffentliche Gelder für Unterhaltszahlungen an eine Frau veruntreut haben, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Gegen ihn wird zudem in mehr als zehn Korruptionsfällen ermittelt. Calheiros wies die Beschuldigungen zurück. Der Senatspräsident ist ein Parteifreund und enger Vertrauter von Staatspräsident Michel Temer. Da das Amt des Vizepräsidenten derzeit nicht besetzt ist, wäre Calheiros in der Nachfolgeregelung für das Präsidentenamt die Nummer zwei, falls Temer abtreten müsste.

Druck auf Temer erhöht 

Die Ermittlungen gegen Calheiro bringen auch Staatschef Temer weiter in Bedrängnis, dessen Regierungszeit bereits von einer Reihe von Skandalen überschattet wurde. Temer hat in seiner sechsmonatigen Amtszeit bereits sechs Minister wegen Verwicklungen in Korruptionsaffären verloren. Der Mitte-Rechts-Politiker und frühere Vizepräsident hatte im Mai die Nachfolge von Präsidentin Dilma Rousseff angetreten, nachdem die Mitte-Links-Politikerin wegen geschönter Haushaltszahlen zunächst für 180 Tage vom Amt suspendiert worden war. Im August wurde Rousseff endgültig abgesetzt. Temer vollzog nach der Übernahme des höchsten Staatsamts mit einem rechtskonservativen Kabinett eine politische Kehrtwende. Inzwischen traut sich Temer kaum noch auf öffentliche Veranstaltungen, da er wiederholt ausgepfiffen wurde. So auch bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

Vor Calheiros war bereits Parlamentspräsident Eduardo Cunha, wie Temer und Calheiros Mitglied der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB), wegen Korruptionsverdacht im September des Amtes enthoben worden. Cunha war der entscheidende Treiber hinter dem Verfahren gegen Rousseff. Im Oktober wurde er verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, mehrere Millionen Dollar Schmiergeld bei Aufträgen des Ölkonzerns Petrobras kassiert und in der Schweiz deponiert zu haben. 

Massenproteste gegen Korruption

Am Sonntag waren in ganz Brasilien Zehntausende Bürger auf die Straßen gegangen, um gegen die weit verbreitete Korruption zu protestieren. Die Organisatoren sprachen von mehr als 400.000 Demonstranten in über 80 Städten. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl dagegen mit 75.000 an. Die größten Märsche fanden in São Paulo und Rio de Janeiro statt, wie die Zeitung "O Globo" in ihrer Internetausgabe berichtete. In Rio de Janeiro forderten Demonstranten angesichts der parteiübergreifenden Skandale mit einer riesigen Puppe eines Generals sogar ein Einschreiten des Militärs. Gegen rund 50 Prozent der Mitglieder des Kongresses laufen Ermittlungen und Verfahren. 

Brasilien ist wirtschaftlich am Ende

Der Protest richtete sich gegen eine Gesetzesinitiative, die den Handlungsspielraum von Ermittlern und Richtern in Korruptionsfällen einschränken soll. Das Parlament hatte vergangene Woche ein lange gefordertes Anti-Korruptionsgesetz in wesentlichen Punkten verwässert und Strafandrohungen für Richter und Staatsanwälte bei Überschreitung ihrer Kompetenzen aufgenommen. Nach der Verabschiedung mit deutlicher Mehrheit im Parlament versuchte Calheiros bisher erfolglos, das Gesetz im Senat zur Abstimmung zu bringen. Die Demonstranten machten unter anderem ihrem Ärger über den Senatspräsidenten Luft, der als einer der einflussreichsten Politiker des Landes gilt. Brasilien steckt derzeit in einer tiefen Rezession. Etwa zwölf Milionen Menschen sind arbeitslos.

kle/gri (afp, dpa, ape, rtre)