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Sekte sperrte Kinder jahrelang in Bunker

9. August 2012

Keine Frischluft, kein Sonnenlicht: Rund 70 Mitglieder einer islamischen Sekte, darunter mehr als 20 Kinder, haben in Russland mehr als zehn Jahre lang in einem unterirdischem Bunkersystem gehaust.

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Sektenmitglied am Eingang des Bunker-Geländes (Foto: dapd)
Bild: AP

Ein Jahrzehnt lang lebten etwas außerhalb der russischen Stadt Kasan an der Wolga die rund 70 Sektenmitglieder in zellenartigen Wohnräumen, in dem bis zu sieben Stockwerke tief unter die Erde gebauten Bunkersystem, bis die Behörden die unterirdische Behausung ausfindig machten. Sie waren auf den Fall aufmerksam geworden, als ein Spezialkommando wegen Ermittlungen in einem Mord an einem islamischen Geistlichen das Gelände wegen Terrorismusverdachts stürmte.

Verfahren wegen Kindesmisshandlung

Als sie aufgefunden wurden, seien die Minderjährigen im Alter zwischen einem und 17 Jahren schmutzig und in Lumpen gekleidet gewesen, berichteten Ärzte der Zeitung "Komsomolskaja Prawda". Einige waren offenbar noch nie an der frischen Luft, viele wurden vermutlich auf dem Sektengelände geboren. Die Kinder kamen zur medizinischen Untersuchung in Krankenhäuser und sollen dann in Waisenhäusern betreut werden. Gegen die Eltern wurden Ermittlungen wegen Misshandlung Schutzbefohlener aufgenommen. Festnahmen gab es zunächst nicht.

Russland: Sekte lebte jahrelang unterirdisch

Abgeschottet unter der Erde

Die Eltern hatten sich und ihre Kinder dem muslimischen Prediger Faisrachman Satarow anvertraut, der sich als "Propheten" Mohammeds bezeichnet. Die Sektenanhänger durften - bis auf wenige Ausnahmen - das Gelände nicht verlassen und keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Für die Kinder hieß das, kein Arzt, kein Lehrer, keine Sonne, keine frische Luft, keine Heizung und keinen Strom. Wenn es Unterricht gab, dann durch den selbsternannten "Propheten" Satarow.

Die Behörden in der muslimisch geprägten Teilrepublik Tatarstan ermitteln jetzt gegen den 83 Jahre alten Sektenchef Satarow, weil er "das Recht in die eigene Hand genommen hat". Die Eltern der Kinder geben sich uneinsichtig. Sie drohten laut  "Komsomolskaja Prawda", den Weltuntergang heraufzubeschwören, falls ihnen die Behörden nicht ihre Kinder zurückgeben. Auch gegen den angekündigten Abriss des illegal gebauten Anwesens ihres "Propheten" kündigten sie Widerstand an.

Die "Faisrachmanisten" hätten sich bereits 2001 von der Außenwelt abgeschottet, berichtet die "Komsomolskaja Prawda" weiter. Der Grund war angeblich durchaus weltlich: Die Gemeinschaft habe hohe Schulden gehabt. Soweit bekannt, habe Satarow 1996 das etwa 700 Quadratmeter große von Mauern umgebene Gelände am Stadtrand von Kasan gekauft und seinen Anhängern befohlen, dort das unterirdische Zellensystem zu errichten. Auf dem Grundstück gebe es auch eine kleine Moschee.

qu/haz (dpa)