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Sehnsucht nach Clinton

Udo Bauer15. August 2002

US-Präsident Bush hat Grund zur Panik. Kurz vor den Kongresswahlen droht eine Vertiefung der Wirtschaftskrise, und er hat kein Konzept dagegen. DW-Korrespondent Udo Bauer erklärt, wieso das Erinnerungen weckt.

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Seine Gesten muss er vor dem Spiegel geübt haben. Eben noch hat er ziemlich dämlich über seine eigenen Witzchen gekichert, jetzt, wo er über schwarze Schafe in amerikanischen Konzernen spricht, schaut er ernst und entschlossen. "Wir werden euch jagen, wir werden euch verhaften und vor Gericht stellen, wenn ihr das Gesetz brecht," sagte er auf einem sogenannten Wirtschaftsforum im texanischen Waco. Bushs Berater hatten ihrem Chef diese PR-Veranstaltung auf den Leib geschnitten. Bush sollte als 'trouble shooter' auftreten, die Wirtschaftskrise zur Chefsache erklären und Kompetenz demonstrieren. Doch selbst einige republikanischen Parteifreunde zweifeln, ob Bush und sein angeblich wirtschaftskompetentes Regierungsteam das Vertrauen der Wähler in die Wirtschaft wird wieder herstellen können. Als Achillesferse gilt vor allem Finanzminister Paul O'Neill. Seine Aufgabe wäre es eigentlich, die wirtschaftliche Linie der Regierung vorzugeben. Stattdessen ist er meist im Ausland, wenn mal wieder die Börse abstürzt oder ein Bilanzskandal die Weltwirtschaft erschüttert.

It's the economy, stupid!

Durch richtungsweisende Gedanken hat O'Neill bisher nicht auf sich aufmerksam gemacht. Viele Wirtschaftsführer wünschen sich unverhohlen O'Neills Rücktritt und manche gar seinen Amtsvorgänger Robert Rubin zurück. Und überhaupt, so ein Mann wie Clinton wäre jetzt genau der richtige, hört man in den Chefetagen. Mit dem Slogan "It's the economy, stupid!" (Um die Wirtschaft geht's, Dummkopf!) hatte der 1991 nicht nur die Wahl gewonnen, er hatte dem Land auch eine acht Jahre währende Prosperität beschert. Da hat man noch hingehört, wenn der Finanzminister sich räusperte. Das Einzige, was Bush zu dieser Bilanz heute einfällt, ist, dass er ja als Präsident schon eine wackelige Ökonomie übernommen habe, was nachweislich nicht stimmt.

Vom Überschuss zum Defizit

Er hat vielmehr als erstes einen grossen Teil des unter Clinton erwirtschafteten Haushaltsüberschusses, genau 1,35 Billionen Dollar, in Form von Barschecks an die Bevölkerung verteilt. Und dann diente ihm der 11. September als Entschuldigung für die Vertiefung der Haushaltskrise. Seine Politik korrigiert hat er deshalb nicht. Dass Bush jetzt so hart mit seinen Freunden von der Wirtschaft ins Gericht geht, ist schnell als Populismus entlarvt. Das neue Anti-Betrugsgesetz hatte er nur auf Druck der Öffentlichkeit unterschrieben. Es gilt Experten ohnehin nur als eine kurzfristige Korrekturmaßnahme. Wo aber bleiben die Visionen, wo bleibt die konsequente, langfristige Wirtschaftspolitik, fragen sich die Wähler, die in den letzten Monaten grosse Teile ihres Vermögens an der Börse pulverisiert haben.

Demokraten kompetenter

Längst erinnern Zeitungskommentare an das Jahr 1991, an den Eindruck der Wähler damals, dass Präsident Bush (der Ältere, versteht sich) die Wirtschaft nicht im Griff hatte und deshalb die Wahl verlor. Zwar steht jetzt noch nicht die Wiederwahl des Präsidenten an, trotzdem könnte Bush junior bei den Kongresswahlen im November die Machtbasis im Kongress entzogen werden. Sollte das Abgeordnetenhaus wie schon der Senat von den Demokraten beherrscht werden, dann wird es eng für den Texaner. Schon jetzt hält die Mehrheit der Amerikaner Umfragen zufolge die Demokraten in Wirtschaftsfragen für kompetenter als die Republikaner. Je tiefer die Wirtschaftskrise, umso tiefer Bushs Krise!