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Sehen, was die Gegenwart fordert

17. November 2012

Mit dem baldigen Ende des Mayakalenders machen wieder einmal Endzeitprophezeiungen die Runde. Christen kann dies kalt lassen. Denn das Beste steht uns noch bevor, meint Hans-Peter Hecking von der katholischen Kirche.

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Wäschewaschen im Atitlansee
Wäschewaschen im AtitlanseeBild: ddp images/AP Photo/Rodrigo Abd

Ein alter Kalender des Maya-Volkes in Mittelamerika sorgt in diesen Wochen für Schlag­zeilen. Selbsternannte Endzeitpropheten behaupten, mit dem Ende dieses Kalenders am 21. bzw. 23. Dezember drohe der Weltuntergang. Oder zumindest stünden außergewöhn­liche astronomische Ereignisse bevor mit negativen Auswirkungen auf unser Leben. Gewiss, auch die moderne Naturwissenschaft kennt verschiedene Theorien von Welt­untergangsszenarien, etwa als Konsequenz vulkanischer Vorgänge oder kosmischer Ent­wicklungen in unvorstellbar weit entfernter Zukunft. Doch die Spekulationen um den Maya-Kalender und den angeblichen Weltuntergang in wenigen Wochen haben Kenner der Maya-Kultur längst als esoterische Hirngespinste entzaubert.

Im Text des Markusevangeliums (Mk 13.24-32), der im morgigen Sonntagsgottesdienst vorgelesen wird, spricht auch Jesus von der Auflösung der kosmischen Ordnung am Ende der Zeit. „Doch jenen Tag und jene Stunde“, widerspricht er ausdrücklich allen, die vorgeben es zu wissen, „kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater“. Gott also. In damals geläufigen apokalyptischen Bildern spricht Jesus von der damit verbundenen Überwin­dung aller Gegensätze, von Auserwählung und von Zusammenführung in Gottes liebende Gegenwart. So bekräftigt er, dass sich seine Botschaft vom Kommen des Reiches Gottes und von der Liebe Gottes zu uns Menschen und zu dieser jetzt noch unvollkommenen Welt einmal allen erschließen wird. Das ist dann, wenn Jesu Verheißung vom „Leben in Fülle“ (Joh 10.10), das er mit seinem Kommen versprochen hat, vollkommen Wirklich­keit ist.

Keine Angst, zu kurz zu kommen

Das beharrliche Vertrauen auf diese Verheißung Jesu und die daraus resultierende Gelassenheit eines Christenmenschen kommt in dem Martin Luther zugeschriebenen Satz zum Ausdruck: „Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Wer Jesu Wort vertraut, weiß, dass das, was jetzt ist, „nicht alles ist und das Beste uns immer noch bevorsteht“, sagt Bischof Franz Kamphaus, Altbischof von Limburg.[1] Menschen, die Jesus vertrauen, haben deshalb keine Angst, selbst zu kurz zu kommen, und lassen sich auch von Diesseitsvertröstungen nicht blenden. Stattdessen führen sie seine Mission fort. Und sie gilt vor allem denen, die in dieser Welt leer ausgehen.

In meiner Arbeit für Missio habe ich oft solche Christinnen und Christen - aber auch an­dere, die sich nicht auf Christus berufen - erleben dürfen. Menschen, die etwas von dem erfahrbar machen, was Jesus „Reich Gottes“ nennt. Dabei denke ich nicht nur an die Begegnungen mit Mutter Teresa in Kalkutta oder die selbstlose Arbeit ihrer Schwestern mit AIDS-Kranken und Sterbenden, Waisenkindern und Behinderten. Zahlreiche andere Ordensfrauen und Priester, Frauen und Männer in den Großstadt-Slums oder entlegensten Gemeinden und Dörfern Asiens und Afrikas kommen mir ebenso in den Sinn. Viele von ihnen sind für mich lebende Heilige. Denn sie wenden sich nach Jesu Vorbild denen solidarisch zu, denen gesellschaftliche Kälte und soziale Unge­rechtigkeit widerfährt; die ohne Hilfe von außen in den Gefängnissen totalitärer Staaten kaum überleben können; die missbraucht und vergewaltigt wurden; die wegen Raubbaus an Gottes Schöpfung ihre Lebensgrundlage verlieren; die von Krieg und Vertreibung betroffen sind; die unter Hungersnot und Flüchtlingselend leiden; die Unwissenheit und Ausbeutung ertragen müssen.

Grenze des Machbaren

Trotz aller Hingabe wissen alle jedoch, die Jesu Mission in dieser Welt fortführen, dass sie das Gottes Reich nicht selber herbeiführen können und müssen, sondern dass schließlich alles durch Gottes Liebe zum Guten gewendet und vollendet sein wird. Die Mutmaßungen um den alten Maya-Kalender und alle Spekulationen um das Ende der Welt sind deshalb für Christinnen und Christen belanglos. Die christliche Haltung fasste vielmehr einmal Kardinal Henri de Lubac in einem Satz zusammen: „Nicht die Zukunft zu erraten ist wichtig, sondern zu sehen, was die Gegenwart fordert“.[2]


Zum Autor:

Hans-Peter Hecking, katholischer Diplom Theologe, arbeitet als Länderreferent für missio Aachen. Im Bistum Trier wurde er zum Pastoralreferenten ausgebildet. Zahlreiche Recherche- und Projektreisen führen ihn in asiatische und afrikanische Länder, wo er Projekte begutachtet. Daneben ist er als freier Autor zu aktuellen Länderthemen tätig. Hans-Peter Hecking ist verheiratet und Vater von drei Kindern. In seiner Freizeit engagiert er sich im Aachener Kammerchor „Carmina Mundi“.

Hans-Peter Hecking, Aachen
Hans-Peter Hecking, AachenBild: Silvia Becker

[1] Franz Kamphaus, Eine Zukunft für alle. Umkehr zur Solidarität, Freiburg i. Br. 1995, S. 27

[2] Henri de Lubac, Glaubensparadoxe, Einsiedeln 1972, S. 40