Seelsorge für Seeleute
19. September 2009Im Rostocker Club Hollfast ist Seemannsdiakon Folkert Janssen für alles zuständig: Er verkauft verbilligte Telefonkarten, mit denen die meist philippinischen Seeleute für wenig Geld mit ihren Familien telefonieren können. Er wechselt Geld und sorgt dafür, dass seine Gäste im Internet chatten können. Doch seine wichtigste Aufgabe sind die Besuche an Bord.
An Deck der "Paros", einem 180 Meter großen Frachtschiff, das unter maltesischer Flagge fährt, wird der Seemannsdiakon von der Besatzung freundlich begrüßt. In den Gesprächen mit der Crew geht es oft um das Thema Piraterie. Seeleute wie Artur de la Cross machen sich Sorgen. Der Philippino fährt schon seit über 20 Jahren zur See. Aber so gefährlich wie in den vergangenen Monaten sei es noch nie gewesen – vor allem vor der somalischen Küste, erzählt de la Cross.
Die Sorgen fahren immer mit
"Immer, wenn ich dieses Gebiet passieren muss, denke ich daran, dass die Piraten das Schiff überfallen und mich töten könnten", sagt er. Die Besatzung würde nach Piraten Ausschau halten und es gäbe auch einen Notfallplan, wie man sich bei einem Überfall verhalten solle. Doch die Sorgen fahren immer mit. Dennoch will de la Cross seinen Job als Seemann nicht aufgeben. "Das ist seit über 20 Jahren meine Arbeit. Wenn ich damit aufhöre, verdiene ich ja auch kein Geld mehr", betont er.
Artur de la Cross ist sechs bis neun Monate ununterbrochen auf einem Schiff. Seine Familie sieht er meist nur einmal im Jahr. Er weiß, dass sie sich wegen der Piraterie Sorgen macht. Zu Hause würden sie immer in den Nachrichten verfolgen, ob wieder ein Schiff gekidnappt wurde in dem Gebiet, in dem er gerade unterwegs ist. "Ich versuche sie dann anzurufen, damit sie sich keine Sorgen machen müssen", erzählt er.
Piratenopfer sind traumatisiert
Heike Proske, Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission, weiß aus Gesprächen mit Seemännern, dass sie ihre Familien mit ihren Sorgen und Nöten nicht so gern belasten wollen. Aber mit den Mitarbeitern der Seemannsmissionen würden die Seeleute offen reden. "Wenn erst einmal ein Kontakt entstanden ist, dann packen Seeleute schnell aus", berichtet Proske. Sie hat mit Seeleuten gesprochen, die von Piraten attackiert oder überfallen wurden.
"Die Männer sind sehr verunsichert und ängstlich", sagt sie. Bei jedem Schnellboot, das sich dem Schiff nähert, würden sie nervös reagieren, weil sie mit Piraten rechnen. Gerade für diese traumatisierten Menschen sei es wichtig, dass die rund 700 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der weltweit 40 Seemannsmissionen für Gespräche zur Verfügung stehen.
Mehr Militär ist keine Lösung
Zum Schutz der Seeleute nun die militärische Präsenz auf den Meeren zu erhöhen, hält Heike Proske für den falschen Weg. "Ich bin immer gegen jede Form von Eskalation, insofern ist Militär für mich keine Lösung." Sie plädiert für politische Initiativen, damit sich die Situation in Ländern wie Somalia verbessert. Derweil versuchen die Seeleute in Rostock das Thema Piraterie erst einmal zu verdrängen.
Diakon Folkert Janssen hilft ihnen dabei. Mit seelsorgerlichen Gesprächen, aber auch mit so einfachen, praktischen Dingen wie der Bestellung eines Taxis. Ein philippinischer Seemann will für einige Stunde ins Spielcasino nach Warnemünde. Der Seemannsdiakon lacht: "Das ist der einzige, der noch ein paar Dollar übrig hat. Aber jede Abwechslung vom Bordalltag hilft, die Sorgen um die nächste Fahrt durch Piratengebiet zu verdrängen."
Autor: Michael Hollenbach
Redaktion: Sabine Damaschke