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Seelenlose Sockelstümpfe

Bernd Riegert28. Juli 2005

Das Herz Europas schlägt in Brüssel und das Herz des Europa-Viertels in Brüssel ist der Robert-Schuman-Platz. Und dieses Herz ist krank. Symptomatisch für den Zustand der EU …?

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Bernd Riegert

Das Zentrums Europas ist ein chronisch verstopfter dreispuriger Kreisverkehr, an dem sich das Gebäude der EU-Kommission und des Ministerrates klotzig gegenüber stehen. Benannt ist der Platz nach dem großen französischen Europapolitiker Robert Schuman. Gesäumt wird der 150 Meter weite Kreisel von seelenlosen Bürobauten. Die Mitte des Platzes gleicht einer Insel der Trostlosigkeit im brausenden Meer des kreisenden Verkehrs.

Ungepflegte Büsche und lieblose Rasenquadrate fassen einen sandigen Platz ein, auf dem leere Blumenbeete gähnen. Vier Sockelstümpfe ragen in den Himmel, die wohl vor langer Zeit Lampen trugen. Ein verbeulter Mülleimer bietet seine Dienste an. Einige alte Holzbänke stehen unordentlich in der Gegend herum. Auf einigen lagern nichtsesshafte Europäer. Auf anderen ruhen sich japanische Touristen aus und wundern sich über die Hässlichkeit des Ensembles, das ja eigentlich Robert Schuman ehrendes Gedenken bewahren soll.

Jubeln im Jubelpark

Die EU hat offensichtlich kein Gefühl für die Bedeutung von Symbolen entwickelt. Dieser Platz strahlt kein Selbstbewusstsein aus, sondern nur Gleichgültigkeit. Ein solch schäbiger Vorplatz der Macht wäre in Paris, London, Washington oder auch Berlin undenkbar. Die EU-Kommission verweist darauf, dass die Stadt Brüssel zuständig sei. Die wiederum schiebt der Verantwortung auf die Gemeinde Etterbeek, in deren Gemarkung das Herz Europas liegt.

Am Geld kann es eigentlich nicht liegen, denn Brüssel erhält von der EU jährlich Ausgleichszahlungen für seine Belastung als Europa-Stadt. Auch die gestalterischen Fähigkeiten sind wohl vorhanden, denn die nahen Parkanlagen am Ambiorix-Platz oder der "Jubelpark" in nur 200 Metern Entfernung sind besser in Schuss als das Herz Europas. Der belgische Häuptling Ambiorix und der Jubelpark, der 1880 zur Bejubelung des 50jährigen Staatsjubiläums errichtet wurde, gehen den Brüsseler Verwaltungsspitzen wahrscheinlich eher zu Herzen als das schnöde Europa. Höchste Zeit also, dass sich die EU-Kommission und der Ministerrat selbst um ihren "Vorgarten" kümmern.

Sporadische bunte Tupfer

Immerhin: Manchmal bebt und vibriert das Herz noch. Denn unter dem Platz rumpelt eine U-Bahn hindurch und ein Straßentunnel spuckt abertausende rasender Autos, dröhnender Busse und Lastwagen auf eine sechsspurige Einbahnstraße aus, die das Europaviertel lärmend und stinkend durchschneidet.

Ab und zu gibt es einen bunten Tupfer. Der Schuman-Kreisel wird von Fahnen schwenkenden Demonstranten gern zum Aufmarschieren genutzt. Von ungarischen Honigbauern über Falun-Gong bis hin zum libyschen Geheimdienst haben schon alle möglichen Grüppchen den "Schuman" mit Füßen getreten.