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Acht Tote im Orkan

18. Januar 2018

Orkan Friederike ist abgezogen, das große Aufräumen beginnt. Bundesweit sind acht Menschen gestorben. Die Bahn hat nach ihrer Zwangspause die ersten Fernzüge losgeschickt. Doch die Schäden sind geringer als erwartet.

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Deutschland Sturmtief Friederike Nordrhein-Westfalen
Bild: picture-alliance/Photoshot/J. Bywaletz

Im schwersten Orkan des Jahrzehnts ist der Fernverkehr und große Teile des Regionalverkehrs der Bahn lahmgelegt worden. Bereits am Donnerstagvormittag hatte die Bahn den Zugverkehr in Nordrhein-Westfalen eingestellt. Im Laufe des Tages ging auch auf den Bahnstrecken weiterer Bundesländer nichts mehr.

Am Freitagvormittag ist der Fernverkehr der Bahn wieder angerollt. Jedoch sind insbesondere in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen noch wichtige Strecken gesperrt, teilte die Bahn mit. Der Süden Deutschlands sei nicht betroffen. Im Norden Deutschlands sollen die Züge starten, sobald weitere Strecken von Schäden befreit und freigegeben wurden. Für das Wochenende geht das Unternehmen von einem weitgehend normalen Verkehr aus.

Die vom Orkan verursachten Versicherungsschäden liegen nach einer ersten Schätzung bei rund 500 Millionen Euro. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stuft "Friederike" damit deutlich niederiger ein als den Wintersturm "Kyrill", der 2007 mehr als zwei Milliarden Euro versicherten Schaden angerichtet hatte. "Friederike" zählt damit nicht einmal zu den fünf schadenträchtigsten Winterstürmen der vergangenen 20 Jahre. Allerdings hat die Bahn gerade erst begonnen, die Auswirkungen des Orkans auf ihr Schienennetz zu beziffern.

Über 200 Stundenkilometer im Harz

Das Tief, das von Westen her über Deutschland fegte, war laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) der schwerste Sturm seit dem Jahr 2007. Auf dem Brocken seien in der Spitze Orkanböen von 203 Stundenkilometern gemessen worden. "Damit haben wir elf Jahre nach Kyrill wieder einen Orkan der Königsklasse", sagte DWD-Sturmexperte Andreas Friedrich. Im Tiefland wurden ebenfalls hohe Spitzen-Windgeschwindigkeiten erreichte. So stellte der DWD fast 138 Stundenkilometer im thüringischen Gera fest, 134 Kilometer pro Stunde wurden im nordhessischen Frankenberg erreicht.

Zuvor hatte der Orkan Belgien und die Niederlande im Visier und sorgte dort für Chaos. Zahlreiche Bäume wurden entwurzelt, eine belgische Autofahrerin wurde von einem umfallenden Baum erschlagen. In den Niederlanden starben zwei Menschen durch umstürzende Bäume und abgebrochene Äste.

Sturmtief "Friederike" - Nordrhein-Westfalen
Sperrung auf der Autobahn 555 bei Bonn: Ein LKW wurde umgewehtBild: picture alliance/dpa/A. Vogel

Wenig später erreichte der Orkan dann Nordrhein-Westfalen mit Wucht und wirbelte auch hier den Alltag vieler Menschen durcheinander. Auf einem Campingplatz am Rhein bei Emmerich wurde ein 59-Jähriger von einem Baum erschlagen. Am Nachmittag wurden weitere Todesopfer aus Deutschland durch "Friederike" gemeldet. So sind in Sachsen-Anhalt am Abend zwei Männer ihren schweren Verletzungen erlegen. Bisher ist bundesweit von mindestens acht Menschen bekannt, dass sie in dem Orkan starben.

Auf zahlreichen Autobahnen und Landstraßen blockierten nicht nur umgestürzte Bäume den Verkehr sondern auch vom Wind umgeworfene Lastwagen. In der Düsseldorfer Fußgängerzone flogen Tische und Stühle in Haufen übereinander, auch Dutzende Fahrräder und manches Dixi-Klo hat der Wind kreuz und quer auf den Straßen verteilt. Die Stadt Köln sperrte das Gelände rund um den Dom teilweise und warnte vor Steinschlag.

Sturmtief "Friederike" - Thüringen
Umgestürzte Straßenschilder in ThüringenBild: picture alliance/dpa/WichmannTV

Schneefall im Norden

In Norddeutschland wurde "Friederike" von teils heftigem Schneefall begleitet. "Die Bäume fallen um wie Streichhölzer", sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Goslar. Der gesamte Oberharz sei quasi unpassierbar. Im südlichen Niedersachsen saßen etwa 250 Reisende seit dem frühen Nachmittag in einem ICE fest, der in einen umgestürzten Baum gefahren war. Die Passagiere sollten auf freier Strecke über Stege in einen anderen Zug umsteigen, der auf dem benachbarten Gleis halten soll. Am Hauptbahnhof in Hannover wurden gefrustete Fahrgäste von der Deutschen Bahn mit Heißgetränken, Salzgebäck und Weingummi versorgt. An den Informationsschaltern bildeten sich lange Schlangen.

Am Bahnhof ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe ging nichts mehr. Mitarbeiter der Bahn mit Leuchtwesten stellten Fahrgemeinschaften für Taxifahrten in ferne Städte zusammen.

Auch der Flugverkehr war beeinträchtigt. Der Flughafen Köln/Bonn unterbrach für etwa anderthalb Stunden den Betrieb. Am Flughafen Düsseldorf wurden nach Angaben des Betreibers etliche Flüge gestrichen. Auch an anderen deutschen Flughäfen gab es Streichungen, etwa weil Ankünfte aus den Niederlanden wegen des Unwetters ausfielen.

Schulen blieben geschlossen

Auch die meisten Schulen in den betroffenen Gebieten ließen ihre Pforten geschlossen. Bei einigen Schulen wird es sogar länger keinen Unterricht geben. So wie Grundschulkinder in Pößneck in Thüringen. Der Sturm hat das Dach ihrer Schule abgerissen. Zu dem Zeitpunkt waren noch Kinder im Gebäude. Sie kamen mit dem Schrecken davon. Das Dach des Schulgebäudes landet auf dem Schulhof.

Sturmtief "Friederike" - Niedersachsen
Zugausfälle am Hauptbahnhof in HannoverBild: picture alliance/dpa/H. Hollemann

Zahlreiche Haushalte in Ostdeutschland waren von der Energieversorgung abgeschnitten. Folge seien zahlreiche Stromausfälle, berichtete die Mitteldeutsche Energie AG in Chemnitz. Nach Angaben des Unternehmens waren am Donnerstag bis zu 140.000 Kunden ohne Strom, nachdem Masten, Leitungen und andere Anlagen durch den Orkan beschädigt worden waren. Bis zum Abend reduzierte sich die Zahl nach Angaben einer Sprecherin auf etwa 65.000 Kunden. Rund 350 Mitarbeiter arbeiteten daran, auf andere Leitungen umzuschalten, um rasch viele Haushalte wieder anzuschließen.

In einem Auto hat eine Frau in Köln aufgrund des Sturms ihr Baby zur Welt gebracht. Eine sturmbedingte Straßensperrung verhinderte die Fahrt zur Klinik. Der kleine Junge erblickte noch vor Ankunft von Rettungsdienst und Notarzt im Auto das Licht der Welt.

cgn/rb/ml (afp, dpa)