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Schwierige Mission

Ralf Bosen11. Juli 2012

Wegen seiner geostrategischen Lage und seines Rohstoffreichtums ist Zentralasien Teil des internationalen Machtpokers. Auch die EU hat Karten in dem Spiel. Nun soll eine Deutsche die diplomatischen Fäden ziehen.

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Die neue EU-Eine Porträtaufnahme der Sonderbeauftragten für Zentralasien, Patricia Flor. Foto: DW/Ralf Bosen)
Patricia Flor EU ZentralasienBild: DW

Die Möbel sind frisch ausgepackt, auf dem Schreibtisch liegen noch wenige Dokumente und bis auf eine riesige Landkarte sind die Wände kahl: Patricia Flor hat erst vor wenigen Tagen ihr Büro bezogen. Es befindet sich in einem der EU-Glaspaläste an der zentralen Rue de la Loi in Brüssel. Noch herrscht hier die karge Aufgeräumtheit des Neuanfangs. Lächelnd weist die zierliche 50-Jährige daraufhin, dass sie ihr Amt erst am 1. Juli angetreten hat.

Als Nachfolgerin des bisherigen Sonderbeauftragten für Zentralasien, Pierre Morel, ist sie für Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zuständig. Patricia Flor wird für ihre Chefin, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, im Einsatz sein. "Das heißt vor allen Dingen, den ständigen Dialog mit den Regierungen in Zentralasien zu führen", sagt Flor der Deutschen Welle und fügt hinzu: "Es heißt darüber hinaus aber eben auch, den Kontakt zur Zivilgesellschaft, zu den Parlamenten, zu den Vertretern der Wirtschaft herzustellen."

Stimme und Gesicht der EU

Patricia Flor ist eine ausgewiesene Expertin für die Region und alles andere als ein Neuling auf dem diplomatischen Parkett. In den Jahren 2006 bis 2010 war sie deutsche Botschafterin in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Bis zu ihrer Berufung nach Brüssel setzte sie das Bundesaußenministerium als Beauftragte für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien ein. Deutschland unterstützt die zentralasiatischen Staaten bereits seit den 1990er-Jahren im Bereich des Rechts und bei der Justizreform und hat ein vitales Interesse an der Region.

Eine Anlage zur Erdgasförderung (Foto: dpa)
Erdgasförderung in TurkmenistanBild: picture-alliance/dpa

Nun soll Flor der EU und ihrer Politik "Stimme" und "Gesicht" geben. Sie werde sich besonders um die Umsetzung der Zentralasien-Strategie der EU kümmern, erläutert sie. Diese Strategie ist gerade fünf Jahre alt geworden und durch den Rat der EU-Außenminister in ihren wesentlichen Punkten bestätigt worden - "wie zum Beispiel Rechtstaatlichkeit verbessern, die wirtschaftliche Entwicklung stärken, die Wasser- und Umweltprobleme in der Region lösen, die regionale Zusammenarbeit verbessern."

Drogen- und Waffenhandel

Hinter diesen leicht gesagten Worten verbirgt sich ein Mammutprogramm, denn in Zentralasien brodelt es gewaltig. Riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen, autoritäre Herrscher, islamische Gotteskrieger, ethnische Spannungen sowie Drogen- und Waffenhandel in großem Stil – all das macht die Region zu einem gefährlichen Pulverfass, das jederzeit explodieren kann. Zusätzlicher Druck kommt vom Ausland. Verbissen ringen die Großmächte USA, Russland und China zwischen Kaukasus und Hindukusch um Macht und Einfluss. Für sie ist Zentralasien auch wegen seiner Nachbarschaft zu Afghanistan von herausragender strategischer Bedeutung. Außerdem spielt das Gebiet eine Schlüsselrolle für die Entwicklung transkontinentaler Verkehrs- und Transportstrecken, die Europa, Russland und Asien miteinander verbinden.

Beglemte Polizisten drängen Deomonstranten in Almaty zurück (Photo ITAR-TASS)
Unruhen in Kasachstan: Polizisten gehen in der Hauptstadt Almaty gegen Demonstranten vorBild: picture-alliance/dpa
Die Residenz des Präsidenten mit Säulen und strahlend weißen Wänden (Foto: DW)
Bauboom aufgrund des Ölreichtums: Die Präsidentenresidenz in der tadschikischen Hauptstadt DushanbeBild: DW

Angesichts des Machtpokers bleibt Flor realistisch. Die EU werde sich nicht jenseits der Einflussbereiche all dieser Mächte bewegen können. Aber auf Basis gemeinsamer Interessen könne man die Zusammenarbeit zum Wohl aller Beteiligten ausbauen: "Russland hat zum Beispiel ein großes Interesse daran, den Drogenhandel zu reduzieren. Ja, wir auch! China hat als Nachbarland ein großes Interesse daran, dort die Infrastruktur zu verbessern, Zugang zu den Ressourcen zu bekommen. Ja, wir auch!" Zentralasien werde am besten zu stabilisieren sein, wenn es wirtschaftlich, aber auch politisch von seinen Nachbarn profitiere.

Ausbau der Menschenrechte

Diplomatisches Fingerspitzengefühl benötigt Patricia Flor auch im Umgang mit den autoritär geführten zentralasiatischen Regierungen, die wegen Menschrechtsverstößen regelmäßig in den Schlagzeilen stehen. Die neue Sonderbeauftragte wird im Sinne der EU-Strategie demokratische Reformschritte anmahnen müssen, gleichzeitig aber darauf zu achten haben, den Dialog mit den Machthabern nicht zu gefährden. Ein wahrer Balanceakt.

Antidrogenpolizisten mit schwarzen Srickmützen, die ihre Gesichter verdecken (Foto: Galim Faskhutdinow)
Tadschikische Polizisten bei der Drogen-KontrolleBild: DW

Der Schlüssel zum Erfolg hierfür sei das Verständnis für den Gesprächspartner, sagt Flor. In jedem außenpolitischen Kontakt wäre es wichtig, dass man die Vergangenheit, Herkunft und die Eigenheit des Partners einbeziehe und verstehe, dass demokratische Entwicklungen noch viel Zeit benötigten: "Die zentralasiatische Region und Kultur ist eine andere als unsere. Und wir müssen in unserem Dialog dort anknüpfen, wo sich diese Gesellschaft im Moment befindet."

Praxistest für diplomatisches Geschick

Schon bald wird die neue EU-Sondergesandte ihre Koffer packen. Vom 16. bis zum 27. Juli besucht sie Zentralasien. Patricia Flor stellt sich vor die große Landkarte über ihrem Schreibtisch und streicht mit ihrem Zeigefinger über die Route. Sie startet in Turkmenistan, dann Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und endet in Usbekistan. Eine Reise, die ihr erster Praxistest als Diplomatin der Europäischen Union sein wird.

Ein afghanischer Soldat steht zwischen Flaggen von Afghanistan und Tadschikistan an einem Grenzfluss zwischen den beiden Ländern in der afghanischen Provinz Kundus (Foto: dpa)
Grenze zwischen Afghanistan und TadschikistanBild: picture-alliance/dpa