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Schwellenländer an die Macht

15. Dezember 2009

Die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wurde vor genau zehn Jahren gegründet. Ziel war es, die internationalen Finanzmärkte zu stärken. Das misslang. Dennoch ist die G20 wichtiger als je zuvor.

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Logo G20 (Foto: AP)
Bild: AP / CC_Marcin n_nc

Es begann mit einer Art netter Geste der großen Industrienationen gegenüber den wichtigsten Schwellenländern. Die sollten künftig mitreden dürfen bei wichtigen Fragen der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Im Gefolge der Asienkrise von 1997 wurde beim Weltwirtschafts-Gipfel im Juni 1999 in Köln ein entsprechender Vorschlag gemacht. Künftig sollten sich die Finanzminister und Notenbankgouverneure der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt gemeinsam zu regelmäßigen informellen Treffen verabreden. Wenige Monate später, am 15. und 16. Dezember 1999, fand in Berlin das erste Treffen der Gruppe statt. Die G20 war geboren.

Aufstieg von einem schlecht organisierten Club ...

Dirk Messner (Foto: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik DIE)
Dirk MessnerBild: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

"Die Schwellenländer und die Industrieländer zusammenzubringen - das war vor zehn Jahren der erste Ansatz", sagt Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). "Bis dahin hatten wir eine Weltwirtschaft und ein weltwirtschaftliches Ordnungssystem, das im Wesentlichen durch die G8-Länder strukturiert war. Die Schwellen- und Entwicklungsländer waren ziemlich schlecht organisiert, als großer Club, aber mit relativ wenig Einfluss." Ab sofort konnten damals aufstrebende Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien im Rahmen der G20 ihr ökonomisches und politisches Gewicht auf der internationalen Bühne in die Waagschale werfen.

... zu den "Kapitänen der Weltwirtschaft"

Die Geschichte der G20 verlief meistens wenig spektakulär. Ihre informellen Treffen auf Ministerebene beschäftigten sich recht allgemein mit internationalen Wirtschaftsfragen und wurden von der breiten Öffentlichkeit kaum beachtet.

Der kometenhafte Aufstieg der G20 setzte schlagartig kurz vor ihrem neunten Gründungsjubiläum mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ein: Die internationale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen die Welt noch lange in Atem halten werden, erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt. "Durch die Finanzkrise hat die G20 einen ganz anderen Stellenwert bekommen", sagt Dirk Messner, "sie löst nämlich die G8 de facto ab und wird zum entscheidenden Steuerungsgremium in der Weltwirtschaft." Das sei "ein richtig historischer Einschnitt, eigentlich eine internationale Revolution". Noch bis zum letzten Jahr hätten sich die G8-Staaten, also die wichtigen Industrieländer, als das Steuerungszentrum der gesamten Weltwirtschaft begriffen. Jetzt sei es eine Mischung aus Schwellen- und Industrieländern, die man als "Kapitäne der Weltwirtschaft " bezeichnen könnte.

Protestzug beim letzten G20-Gipfel in Pittsburgh, Pennsylvania (Foto: UPI)
Proteste beim letzten G20-Gipfel in PittsburghBild: picture alliance / landov

Ziel nicht erreicht - dennoch erfolgreich

Kurioserweise hat die G20 in gewisser Hinsicht durch ihr eigenes Scheitern so enorm an Bedeutung gewonnen. Denn eigentlich konnte es nur deshalb zur Finanzmarktkrise kommen, weil es den G20-Ländern nicht gelang, was nach ihrem Selbstverständnis ihre wichtigste Aufgabe war: nämlich die internationalen Finanzmärkte mit einem stabilen Regulierungssystem zu versehen.

Das muss nun schleunigst nachgeholt werden, wenn die Krise überwunden werden soll. Und nicht nur das. Denn hinzu kommen viele neue Aufgaben. Man beobachte seit dem Ausbruch der Finanzkrise, "dass die G8 als wichtiges Gremium abgelöst wird", sagt Dirk Messner. "Die G8 ist jetzt ein Club der Industrieländer zur Vorbereitung der wichtigen G20-Meetings, bei denen man dann mit den wichtigen Schwellenländern über alle Fragen der Weltwirtschaft und Weltpolitik redet." In Zukunft bestehe die Agenda der G20 neben den Finanzmarktfragen zukünftig auch aus Klima-, Armuts- und Migrationsfragen, es gehe um "das gesamte Bündel internationaler Politik", so der DIE-Direktor.

Gefahr der Ausgrenzung

Die G20 sind zehn Jahre nach ihrer Gründung wohl noch mächtiger geworden als es die G8 jemals waren. Die G8 war ja ein relativ kleiner Club der großen Industrieländer und Russlands, dem die gesamte Welt der Entwicklungsländer - geführt durch aufstrebende Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien - gegenüberstand. Jetzt sind die großen Schwellenländer Teil des Machtkonglomerats der G20 geworden. Da kann bei denen, die nicht dazu gehören, sehr leicht das Gefühl aufkommen, dass sie gar keinen Einfluss mehr nehmen können. Daher ist es sicherlich kein Zufall, dass es, seit es die G20 gibt, auch den Begriff der G172 gibt. Das sind alle Länder, die nicht Teil der G20 sind, also der Rest der Welt.

Autor: Klaus Ulrich

Redaktion: Julia Elvers-Guyot