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Entschädigung für Kindersklaven

27. April 2016

Die Schweiz arbeitet eines ihrer dunkelsten Kapitel auf: Die jahrzehntelange Ausbeutung von Kindern als Arbeitssklaven soll durch Entschädigungszahlungen wenigstens teilweise wiedergutgemacht werden.

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Der Nationalrat in Bern (Foto: dpa)
Im Schweizer Nationalrat fand die Gesetzesinitiative eine deutliche MehrheitBild: picture-alliance/Keystone

Bis Anfang der 80er Jahre waren in der Schweiz Kinder von Mittellosen, sozial Schwachen und Alkoholikern in Heime eingewiesen oder zwangsweise zur Adoption freigegeben worden. Viele wurden von den Behörden zwangsweise an Pflegefamilien "verdingt", bei denen sie - oft auf Bauernhöfen - harte Arbeit leisten mussten. Betroffen waren auch Waisenkinder oder Kinder geschiedener Eltern.

Etliche Mädchen und Jungen wurden Opfer sexuellen Missbrauchs und anderer Gewalt. Zudem ordneten die Behörden Zwangssterilisierungen bei sozial schwachen und kranken Menschen an.

Unterstützung aus allen Parteien

Der Nationalrat, die große Kammer des Parlaments in Bern, sprach sich jetzt mit 143 zu 26 Stimmen bei 13 Enthaltungen für ein Entschädigungsgesetz aus. Angestoßen wurde das Gesetzesvorhaben durch eine 2014 gegründete Volksinitiative, die von zahlreichen Abgeordneten aller Parteien unterstützt wird.

Porträt Simonetta Sommaruga (Foto: dpa)
Justizministerin Simonetta Sommaruga: eine Geschichte von Armut, Ausgrenzung und DiskriminierungBild: picture-alliance/dpa/Ch. Bruna

Die seinerzeit als "Verdingkinder" bezeichneten Opfer sogenannter fürsorgerischer Zwangsmaßnahmen sollen nach dem Gesetz zwischen 20.000 und 25.000 Franken erhalten (22.750 Euro). Die zweite Parlamentskammer, der Ständerat, muss indes noch zustimmen.

Hunderttausende Opfer

Laut Schätzungen leben noch fast 15.000 Personen, die Anspruch auf eine Entschädigung hätten. Historiker gehen davon aus, dass von den Zwangsmaßnahmen, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in der Eidgenossenschaft Usus waren, Hunderttausende Kinder vor allem aus ärmlichen städtischen Familien betroffen waren. Während der 1930er Jahre waren allein innerhalb eines Jahres 30.000 Mädchen und Jungen einer Pflegefamilie zugeteilt worden.

Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte während der stark emotionalen Parlamentsdebatte: "Wir dürfen nicht aufhören, uns zu vergegenwärtigen, was Jahrzehnte lang in unserem Land möglich war." Die Geschichte vieler Verdingkinder sei eine Geschichte der Armut, der Ausgrenzung und Diskriminierung.

Das Leiden vieler Opfer wurde 2012 von dem Schweizer Regisseur Markus Imboden in dem Kinofilm "Der Verdingbub" thematisiert. Davon waren Forderungen nach Wiedergutmachung beflügelt worden.

uh/qu (dpa,epd,rtr)