Schweiz schmeißt Weltmeister Frankreich raus
28. Juni 2021180 Millionen Euro - das ist der aktuelle Marktwert von Frankreichs Superstar Kilian Mbappé. Ein Haufen Geld. Der teuerste Fußballspieler der Welt. Um 0:45 Uhr Ortszeit in Bukarest war dieser Kilian Mbappé nur noch ein Häufchen Elend, das mit gesenktem Haupt vom Platz schlich. Mbappé hatte gerade den entscheidenden zehnten Schuss im EM-Achtelfinale abgegeben und war am Schweizer Torhüter Yann Sommer gescheitert. "Das ist Geschichte, wir sind unheimlich stolz", sollte Sommer nach der Partie im TV sagen. Der Weltmeister ausgeschieden gegen den Außenseiter, 4:5 im Shootout, zuvor hatte es 3:3 (3:3) nach 90 und auch nach 120 Minuten gestanden.
Der entscheidende Fehlschuss des 22-jährigen Superstars von Paris St. Germain war symptomatisch für seine gesamte Leistung bei diesem Turnier. Ein Abseitstor gegen Deutschland beim 1:0 in der Vorrunde, mehr sprang nicht heraus. Mbappé konnte der EURO 2020 nicht seinen Stempel aufdrücken. Im Gegenteil: gegen die Schweizer ein paar vergebene Chancen, die größte in der 110. Minute - Außennetz.
Schweiz vergibt Führung und Strafstoß
Es war ein Abend mit vielen Helden, mit strahlenden und mit tragischen wie Mbappé. Zunächst schien das Glück auf Seiten der Eidgenossen: Haris Seferovic verwandelte eine Flanke mit dem Kopf zum 1:0 (15.), durfte sich feiern lassen. Dann der erste Sündenbock: Bayern Münchens Benjamin Pavard, der schon vor der Schweizer Führung nicht gut ausgesehen hatte, räumte in der 54. Minute Steven Zuber ab. Nach VAR-Intervention und Kontrollblick auf den Monitor entschied Schiedsrichter Fernando Andres Rapallini aus Argentinien auf Strafstoß. Frankreich stand vor dem wahrscheinlichen Aus bei dieser Europameisterschaft.
Doch diesmal versagten Ricardo Rodriguez die Nerven. Sein Versuch war zu schwach geschossen, zu unplatziert für Torhüter Hugo Lloris (55.). Der Fehlschuss leitete die scheinbare Wende ein: Rückkehrer Karim Benzema brachte die Franzosen innerhalb von 102 Sekunden mit 2:1 in Front (57./59.). Die Schweizer schienen gebrochen, zumal sie jetzt die wie im Rausch kombinierenden Weltmeister mit einem Traumtor von Mittelfeldstratege Paul Pogba aus 25 Metern in den Winkel auf 3:1 davonziehen ließen.
Sommer wollte hinterher in dieser Phase eine gewisse Überheblichkeit beim Gegner festgestellt haben. Außerdem habe man sich vor dem Spiel eingeschworen: "Egal was, kommt, egal, wie es steht - wir gehen bis zum Ende."
Ausgleich in der Schlussminute
Doch die Schweizer ließen sich nicht unterkriegen, der gute Seferovic war wieder per Kopf zur Stelle, verkürzte auf 2:3 (81.). Und kurz vor Abpfiff der regulären Spielzeit glich der eingewechselte Mario Gavranovic sogar zum 3:3 aus (90.). "Es war ein unglaublicher Fußballabend. Wir haben sehr viel Herz gezeigt, sehr viel Moral", sagte Sommer im Überschwang.
Auch in der Overtime blieb die Partie vor 24.000 Zuschauern im Bukarester Stadion hochklassig und vor allem hochspannend. Chancen auf beiden Seiten, Einsatz, Leidenschaft. Weitere Tore aber wollten nicht fallen. So musste das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen.
Yann Sommer, der noch nie bei einem Turnier einen Elfmeter gehalten hatte, der auch in der Bundesliga für Borussia Mönchengladbach in der vergangenen Saison keinen einzigen Strafstoß vereitelte, ausgerechnet dieser Yann Sommer entschärfte den Schuss des teuersten Fußballprofis der Welt.
Sommer durfte feiern, Kilian Mbappé ließ den Traum der Franzosen vom Weiterkommen platzen. Der Franzose bat anschließend die Fans um Verzeihung und sprach von "immenser Traurigkeit". Auf Instagram schrieb er: "Das Einschlafen wird schwierig sein, aber leider sind es die Höhen und Tiefen dieses Sports, die ich so sehr liebe."
Die Schweiz trifft nun im Viertelfinale am 2. Juli in Sankt Petersburg auf Spanien. Es ist das erste Mal seit der Weltmeisterschaft 1954 im eigenen Land, dass die Eidgenossen unter den besten Acht bei einem großen Turnier stehen.