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Schwarzes Viagra

Patrick Tippelt, Bangkok18. Juli 2005

Ob Gucci-Gürtel oder Viagra-Imitate – In Thailand ist jedes erdenkliche Produkt als billige Kopie erhältlich. Jetzt hat die US-amerikanische Pharmaindustrie der Pillen-Piraterei den Kampf angesagt.

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Stolz posiert das uniformierte Quartett mit AK-47-Gewehren vor Bergen von Frauenträumen. Hunderte von Handtaschen – Gucci, Vuitton, Dior – stapeln sich hüfthoch. Daneben Berge von Kosmetikprodukten, meistens die oberste Preisklasse: Lancome und Shiseido. All dies sind Gründe für Sathit Limponphans breites Grinsen – der Zolldirektor präsentierte in einer gut gefüllten Lagerhalle den jüngsten Coup seiner Behörde: Güter im Wert von über neun Millionen Euro, konfisziert von Thailands gründlichen Zöllnern.

Die chinesische Flut

So sollte man zumindest meinen. Doch billige Kopien von Juwelen, Kleidung, Waffen und DVDs überschwemmen Thailands Märkte. Die Flut erreicht das Land aus China - tonnenweise - über die holprigen Straßen von Laos. Nirgends in Bangkok muss man lange nach Gucci-Gürteln, Lacoste-Polos und Von-Dutch-Allerlei suchen. Offen liegen die schwarzen Waren aus, auf jedem Nachtmarkt der Stadt. Das einzige Problem, dem der gierige Markenfetischist begegnet, ist die Lust auf Handeln der eifrigen Verkäufer. Gegenüber der Türkei, in der Billig-Touristen dem Massenkauf der Kopien erliegen, bietet Thailand einen groβen Vorteil – die Sachen sind so gut gefälscht, dass selbst geübte Zollbeamten an deutschen Flughäfen keine Unterschiede feststellen können.

Hollywood-Hits und japanische Manga-Pornos

An den Preisen der CD- und DVD-Kopien lässt sich nicht rütteln: Zwei Euro kostet die neueste Coldplay-CD. Die Auswahl an Filmen auf den Schwarzmarkt ist erstaunlich. Retro-Italowestern und Fassbinder-Kollektionen, russische Klassiker und Obskures aus Lateinamerika, der jüngste Hollywood-Hit und japanische Manga-Pornos – jeder noch so auβergewöhnliche Cineastenwunsch wird beherzigt. Dicke Kataloge stapeln sich an kleinen Ständen entlang der Silom-Straβe, Bangkoks Touristenmarkt. Einmal stöbern kann da schnell die halbe Nacht dauern. Dank guter Kopiertechnik ist hohe Qualität gesichert.

Kinobetreiber sorgen sich. Mr & Mrs Smith fiel in den Kinosälen Bangkoks durch, da die DVD schon zwei Monate vor dem offiziellen Anlauf erhältlich war. Besucherzahlen sinken rapide. Noch vor zwei Jahren generierte ein Film durchschnittlich 340.000 Euro in Thailand, ein Jahr darauf nur noch 270.000 Euro. Ins Kino geht man des Erlebnisses wegen – eine DVD kostet genausoviel wie eine Kinokarte. Zwar steigen die Verkaufszahlen von legalen DVDs, aber niemand gibt genaue Gewinnsummen bekannt. Der legale Markt kann es nicht mehr mit dem Schwarzmakt aufnehmen.

Die Polizei geht gegen die Verkäufer vor, doch einen Tag nach einer solchen Razzia stehen die selben Anbieter an der selben Stelle. Aber dies sind Peanuts, verglichen mit einer anderen Art von Piraterei, die in Thailand beständig wächst: Pharma-Kopien.

Pillen-Piraterei

Auch in diesem Markt stellen sich die Behörden des Landes taub und blind. Ob schlichte Kopien von Pillen, die technisch unter amerikanischen Patenten stehen, oder importierte Fälschungen – fast kein Thai-Patient muss die hohen Preise zahlen, die Europäer gewohnt sind. Lokale Pharmafirmen produzieren seit Jahren Nachahmerpräparate von US-Medikamenten, um AIDS-Behandlungen auf humanitärer Basis zu unterstützen. Die Staatliche Pharmazeutische Gesellschaft versorgt seit 2003 rund 50.000 Patienten mit kopierten Viruziden.

Nun sieht Thailand sich genötigt, umzudenken. Denn das Land verhandelt seit Monaten über ein Freihandelsabkommen mit den USA. Und die Amerikaner fordern, dass das Land Medikamentenpatente und gewerbliche Urheberrechte endlich respektiert. Amerikanische Pharmafirmen würden gern exklusive Vertriebsrechte durchboxen, durch die sie den lokalen Pillenmarkt jahrelang beherrschen könnten.

Thailand biedert sich auf nationaler Ebene gern bei den USA an. Doch das Volk will dem nicht unbedingt folgen. Peitschen die Amerikaner die Forderungen durch, werden sich gerade ärmere Kranke die teuren Pillen nicht leisten können. Der Schwarzmarkt wird weiter wachsen – egal wie illegal und unethisch er sein mag.

Auch die EU sorgt sich um die wachsende Pillen-Piraterei – und sieht gern über die anderen Schwarzmärkte Thailands hinweg. Kürzlich rief die EU-Kommission in Bangkok ein Ende des harten Durchgreifens gegenüber illegalen DVD- und CD-Kopien aus. Was jeden Touristen beruhigt, der seine Koffer gut gefüllt durch den deutschen Zoll schleppt. Vielleicht muss man demnächst ja fürchten, dass einem die Herztropfen und Viagra-Pillen konfisziert werden bei Ankunft in Deutschland.