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Schwarzer Tag für Serbien

Verica Spasovska 12. März 2003

Das Attentat auf Zoran Djindjic war die erste Ermordung eines europäischen Regierungschefs seit 1986, als der schwedische Ministerpräsident Olof Palme erschossen wurde. Verica Spasovska kommentiert.

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Es ist ein schwerer Rückschlag für die junge Demokratie in Serbien und ein Schock für die Menschen des Landes, die die dunklen Zeiten der Unsicherheit, des wirtschaftlichen Chaos und der Instabilität hinter sich wähnten. Der feige Mord an dem Reformpolitiker Zoran Djindjic stürzt Serbien in ein Machtvakuum, das nicht schnell zu füllen sein dürfte. Denn es gibt auf der politischen Bühne Serbiens derzeit keinen ernstzunehmenden Nachfolger, der den im Westen hoch geschätzten Djindjic ersetzen könnte. Einen Nachfolger aus den Reihen der Reformer hatte Djindjic versäumt, beizeiten aufzubauen. Gegner hatte er hingegen viele.

Zoran Djindjic war mit vielen Widerständen konfrontiert: mit der organisierten Mafia, die sich im Dunstkreis des Ex-Diktators Milosevic krakenhaft ausgebreitet hatte und bis heute mit der Waffe in der Hand Einfluss auf wirtschaftliche Strukturen nimmt. Sein Versuch sie einzudämmen, um die dringend benötigten Wirtschaftsreformen durchzusetzen, könnte die Mafia zu dem Anschlag bewogen haben.

Zahlreiche Gegner

Ebenso gut könnten die Drahtzieher für diesen Mord unter den faschistoiden und nationalistischen Gegnern Djindjic zu finden sein. Bis heute haben sie ihm nicht verziehen, dass er die treibende Kraft war, Milosevic an das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal auszuliefern. Auch sein Vorstoß, den Kosovo in einen serbischen und albanischen Teil zu splitten, wurde unter den Ewiggestrigen als Ausverkauf serbischer Interessen missbilligt. Überhaupt hatte sein klarer Kurs, mit dem er Serbien in die euroatlantischen Strukturen steuern wollte, zahlreiche nationalistische Widersacher auf den Plan gerufen.

Auch wenn Djindjic seine Wirtschaftsreformen langsamer auf den Weg bringen konnte, als es den Erwartungen des Volkes entsprach, so war er doch ein Garant für die Implementierung demokratischer Strukturen und ein Faktor der Stabilität auf dem Balkan. Sein plötzlicher Tod hinterlässt eine tiefe Unsicherheit, die von rückwärtsgewandten Kräften in Serbien ausgenutzt werden könnten, um wieder an die Macht zu kommen.

Ungelöste Fragen

Viele wichtige Fragen, wie der Status der serbischen Provinz Kosovo, das Verhältnis Serbiens zu Montenegro und die Haltung zum Kriegsverbrecher-Tribunal sind nicht geklärt. Dieser fehlende gesellschaftliche Konsens bietet in dem insgesamt instabilen Land ausreichenden Nährboden für Machtkämpfe, die schlimmstenfalls gewaltsam ausgetragen werden könnten.

In dieser kritischen Situation muss die EU versuchen, ihren Einfluss auf die reformorientierten Kräfte des Landes geltend zu machen und vielleicht sogar mit eben jenem Politiker den Dialog suchen, der im Schatten Djindjics eher als Euroskeptiker galt: mit dem jugoslawischen Ex-Präsidenten Vojislav Kostunica, den die Ironie der Geschichte nun möglicherweise auf die politische Bühne des Landes zurückholen könnte.

Schock für die gesamte Region

Ein intensives westeuropäisches Engagement auf dem Balkan ist auch deshalb von immenser Bedeutung, weil die Schockwellen des Verbrechens in Belgrad die gesamte Region erfassen werden. Politische Instabilität war auf dem Balkan schon immer ein günstiger Nährboden für Nationalisten jeglicher Couleur. Die seit Jahren ungeklärten Fragen über die Zukunft Bosnien-Herzegowinas und des Kosovo könnten nun erneut den zentrifugalen Kräften in der Region Auftrieb geben. Dies ist ein schwarzer Tag für Serbien und ein herber Rückschlag für die Stabilität in der gesamten Region.