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Rassismus trotz Obama

20. März 2009

Die USA haben einen schwarzen Präsidenten. Das hat vielen Afro-Amerikanern zwar ein neues Selbstbewusstsein gegeben, doch diskriminiert werden sie nach wie vor.

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Viele Afro-Amerikaner werden noch diskriminiertBild: AP

Aus der weißen Epiphanias-Kirche, einen Katzensprung vom "eißen Haus entfernt, dringt Gospel-Gesang. Diejenigen, die sich hier an jedem Sonntag zum Gottesdienst mit anschließendem Gratis-Frühstück treffen, haben kein Dach über dem Kopf. Rund 14.000 Obdachlose leben auf den Straßen von Washington DC, 90 Prozent von ihnen sind Afro-Amerikaner. "Findet ihr, dass die Diskriminierung in den letzten Jahren schlimmer geworden ist?" will Pater O'Connell von seiner Gemeinde wissen. Die Antwort – ein einmütiges "Ja!" Daran hat auch der erste schwarze Chef im Weißen Haus, noch nichts ändern können.

Institutionalisierter Rassismus?

"Nur weil wir einen schwarzen Präsidenten gewählt haben, heißt das nicht, dass wir jetzt alle anders miteinander umgehen", sagt Calvin, ein Bauarbeiter, der ein paar Häuserblocks weiter auf einer Baustelle arbeitet. Es gebe immer noch viele, die gegen Obama seien - eben weil er schwarz sei. Und dennoch gebe seine Wahl vielen Schwarzen ein neues Selbstbewusstsein. "Es ist ein positives Signal für die junge Generation. Jetzt weiß jedes schwarze Kind: Du kannst der nächste US-Präsident werden."

Martin Luther King Jr.
Symbol für den Kampf gegen Rassismus: Martin Luther King Jr.Bild: AP

Doch der Weg dahin ist weit. Ein halbes Jahrhundert nach Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den USA ist die Arbeitslosenrate der Schwarzen dort doppelt so hoch wie die der Weißen. Haben sie einen Job, verdienen Afro-Amerikaner im Schnitt wesentlich weniger als Weiße. Sie besetzen nur drei Prozent der Top-Positionen in Wirtschaft und Politik. Dreiviertel aller weißen Amerikaner sind Hausbesitzer - und den Schwarzen sind es keine 50 Prozent. Nach Meinung von Bürgerrechtlern liegt der Grund auf der Hand: Schwarze haben es ihrem Vorwurf nach schwerer, einen Kredit zu bekommen – und wenn, dann unter schlechteren Bedingungen. Die Bürgerrechts-Organisation NAACP hat deswegen gerade Klage gegen mehrere Hypothekenbanken erhoben. Der Vorwurf: Systematischer, institutionalisierter Rassismus.

Hoffen auf den neuen Justizminister

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten müssen Schwarze nach wie vor unbegrenzte Geduld haben, sagt auch Dorie Ladner. Die Veteranin der Bürgerrechtsbewegung diskutiert mit einigen Kunden in einem Buchladen-Bistro gleich um die Ecke von Washingtons U-Street. Der Straße, in der die Rassenunruhen nach der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther Kings bis in die 1990er Jahre ihre Spuren hinterlassen haben. Dorie Ladner hat King kennen gelernt. Sie ist im Süden der USA geboren. Dort, wo es bis heute Orte gibt, die in schwarze und weiße Teile getrennt sind – in Mississippi. Mit 14 hat sie sich der Bürgerrechtsbewegung angeschlossen. Sie war dabei beim großen Marsch auf Washington und hat seitdem für Freiheit und Gleichberechtigung gekämpft. Wenn sie heute im Jahr 2009 auf die Errungenschaften ihres Kampfes zurückblicke, könne sie nicht sagen, dass sie zufrieden sei.

Rassismus in der Kindererziehung
Nicht überall in den USA ist Zusammenleben zwischen Schwarz und Weiß NormalitätBild: AP

Noch immer sitzen mehr Schwarze in Gefängnissen als an amerikanischen Universitäten. Afro-Amerikaner stellen zwar nur 13 Prozent der US-Bevölkerung - doch dafür fast die Hälfte aller Gefängnisinsassen. Studien der sozialistischen Bürgerrechtsorganisation National Urban League belegen, dass Schwarze eher verhaftet, schneller verurteilt und mit wesentlich härteren Strafen belegt werden, als Weiße – zum Beispiel viermal öfter mit der Todesstrafe. Dorie Ladner setzt auf den neuen Justizminister im Obama-Team. Die Ernennung des Afro-Amerikaners Eric Holder zum Minister und Generalstaatsanwalts ist für sie mindestens so bedeutend wie die Wahl des ersten Präsidenten.

Feiger Umgang mit Rassismus

Gleich nach seinem Amtsantritt hat der Topjurist seinen Landsleuten eine Ohrfeige gegeben. In einer Rede warf er den Amerikanern vor, dass sie zu feige seien, ihre Rassenprobleme beim Namen zu nennen. Es gebe kein ehrliches Gespräch über das Verhältnis von Schwarzen und Weißen. Etwas, das auch der Soziologe Michael Eric Dyson moniert, mehrfacher Autor von Büchern zur Rassenproblematik in den USA. "Lasst uns so erfolgreich mit der Rassenfrage umgehen wie wir es auf anderen Gebieten geworden sind", erklärte der Professor der Washingtoner Georgetown-Universität im Fernsehsender CNN. "Ich denke, dies ist der beste Zeitpunkt. Während die Menschen Obama feiern, sollten wir darüber nachdenken, in welchem Kontext er gewählt worden ist. Was hat diese großartige Leistung möglich gemacht und welche Barrieren halten andere Obamas und andere Eric Holders davon ab, ebenso erfolgreich zu sein?"

Aktivistinnen wie Dorie Ladner krempeln jetzt erst recht die Ärmel hoch. Präsident Obama brauche ihre Hilfe. "Er ist ein gutes Vorbild, aber alleine kann er es nicht schaffen", sagt Dorie und verspricht: "Ich werde weitermachen- und zwar solange, bis mein Körper aufgehört hat zu atmen."

Autorin: Antje Passenheim

Redaktion: Steffen Leidel