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Schwarz-Weiß-Malerei und einfache Wahrheiten

Daniel Scheschkewitz3. September 2004

Bei der Bush-Rede auf dem Republikanischen Parteitag zeigte sich: Plakative, einfache Wahrheiten kommen bei vielen Wählern besser an als die komplexe Realität. Ein Kommentar von Daniel Scheschkewitz.

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Die Nominierung Bushs für eine zweite Amtszeit der Republikaner glich einer "Krönungs-Messe": Die für Amerika so typische Mischung aus Pop, Pathos und Politik. Dem Mann, der die Geschicke der USA und damit ein Stück weit auch die der Welt für weitere vier Jahre lenken will - ihm wurde gehuldigt und zugejubelt. Dabei hätte der Ort des republikanischen Parteitages strategischer nicht liegen können: Wo sonst als in New York, wo drei Jahre zuvor Amerika und die Welt in eine neue Epoche gestürzt wurden, hätte sich Bush besser als unerschrockener Führer im Kampf gegen die Mächte des Bösen feiern lassen können? Hier, wo er vor die entscheidende Herausforderung seiner Amtszeit gestellt wurde, wo er einige Tage nach den Anschlägen auf den Trümmern des World Trade Centers Führungskraft bewies - hier wollte man ihm sinnfälligerweise auch die Weihen für eine neue Kandidatur im Zeichen der Stärke, der Unerschrockenheit, des über allen Zweifel erhabenen Optimismus verleihen.

Das ist gelungen, weil die Kulisse stimmte, und die Staffagen mit dem Kriegsveteranen John McCain, dem Action-Helden Schwarzenegger und dem "Wadenbeißer"

(= bissiger Hund) Dick Cheney gut gewählt waren. Da fiel es auch nicht auf, dass Bush Amerika und der Welt jede Menge Antworten schuldig blieb: Wie gedenkt er, den Terrorismus mit diplomatischen Mitteln zu bekämpfen ? Wie will er im Nahen Osten für Frieden und im Irak für stabile demokratische Verhältnisse sorgen? Was wird er gegen die wachsende Armut in den USA, das Verschwinden von Arbeitsplätzen und die Krise im Gesundheitswesen unternehmen? - Kein Thema! Zu sehr waren die Republikaner damit beschäftigt, die Ikone Bush, sich selbst und Amerika zu feiern.

Anders als beim Demokraten-Parteitag in Boston, wo die Isolation Amerikas beklagt wurde, war bei den Republikanern von Bedauern hierüber nichts zu spüren. Im Gegenteil - in einer fast trotzigen Demonstration von Selbstzufriedenheit und historischem Determinismus beharrten die Republikaner auf der Rechtmäßigkeit des Irak-Krieges, der Bush-Doktrin von der legitimen militärischen Prävention und diffamierten den demokratischen Herausforderer Kerry als "Weichling". Ob diese Botschaft beim Wähler gut ankommt, zeigen die nächsten Meinungsumfragen - überzeugend dargeboten wurde sie allemal.

Anders als John Kerry, der als reflektierender Mensch nicht versucht, die komplexe Welt in politischer Schwarz-Weiß-Malerei zu erfassen, bevorzugt Präsident Bush einfache Wahrheiten. Und wenn sich diese im Nachhinein als Unwahrheit erweisen, so wie im Fall der irakischen Massenvernichtungswaffen, geht er mit burschikoser Selbstgerechtigkeit darüber hinweg. Saddam Hussein sitzt im Gefängnis - das alleine zählt.

Dass Bushs Chancen für die Präsidentschaftswahl immer besser werden, liegt nicht zuletzt an der verfehlten Strategie seines Herausforderers: Anstatt Bush da zu attackieren, wo er in seiner ersten Amtszeit versagt hat, ritt Kerry auf seinem heldenhaften Kriegsdienst in Vietnam vor über 30 Jahren herum und baute es zum Qualifikationsmerkmal seiner Anwartschaft auf das Präsidentenamt aus. Das rächt sich nun, denn die Republikaner schlachten mit Genuss die Brüche in seiner politischen Biographie aus. Außerdem ist im Zweifelsfall dem Wähler das Original lieber als die Kopie.

Präsident Bush weiß die Partei und die Hälfte des Landes hinter sich - der Parteitag hat ihn in der Zuversicht eines Siegers erlebt. Im demokratischen Lager hingegen mehren sich Anzeichen der Nervosität. In New York sind vier weitere Jahre George W. Bush wahrscheinlicher geworden.