1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwarz-gelbe Koalition auf der Zielgeraden

26. Oktober 2009

Vier Wochen nach der Bundestagswahl soll der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag unterschrieben werden. Die Liberalen haben am Wochenende zugestimmt. Kleine Parteitage von CDU und CSU zogen jetzt ohne Gegenstimmen nach.

https://p.dw.com/p/KFAW
Eine Frau zeigt vor einer Pressekonferenz am 24.10.2009 den Entwurf des Koalitionsvertrags. (Foto: AP)
Das Ziel der Wünsche von CDU/CSU und FDP: Der KoalitionsvertragBild: AP

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP ist jetzt zum Greifen nah: Nach den schwierigen Verhandlungen sollen an diesem Montagabend (26.10.2009) die Unterschriften die gemeinsame Regierung besiegeln. Die FDP hatte dem Vertrag mit großer Mehrheit schon am Sonntag auf ihrem Sonderparteitag zugestimmt. Unterdessen melden sich kritische Stimmen sowohl von der Gewerkschaften als auch aus der Wirtschaftsforschung.

Warnungen an Schwarz-Gelb

Portrait Zimmermann (Foto: dpa)
Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus F. ZimmermannBild: picture alliance / dpa

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, sprach sogar von Etikettenschwindel. Die Bezeichnung Wachstumsausrichtung im Koalitionsvertrag sei "nur eine Phrase", sagte Zimmermann der "Berliner Zeitung". Erst einmal starte die neue Regierung nur mit einer Steuersenkung für Familien und Arbeitnehmer. Unklar sei, wann die Unternehmen drankämen. Da private Haushalte viel von dem Ersparten zurücklegten, gehe "es hier eigentlich nicht um Wachstum", sagte der DIW-Chef. Letztlich erscheine der Schritt so, als hätten die Parteien den nötigen harten Sanierungskurs gezielt vermeiden wollen.

Michael Sommer neben DGB-Logo (Foto: AP)
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, DGB, Michael SommerBild: AP

Scharfe Kritik kam auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund. DGB-Chef Michael Sommer erklärte, die Befürchtungen hätten sich in weiten Teilen bewahrheitet. Gerade im Bereich Gesundheit und Pflege sehe er ein Ende der Solidarität. Hier werde es mit Schwarz-Gelb "bitterkalt", sagte Sommer der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Der Koalitionsvertrag stehe für Umverteilung zulasten der kleinen Leute und zugunsten der Unternehmen. Sommer kündigte an, die Gewerkschaften wollten die Arbeit der künftigen Regierung konstruktiv – "wo möglich – und kritisch – wo nötig" – begleiten. Das könnten auch Proteste und Großdemonstrationen sein, warnte er.

Bereits zuvor hatte die Opposition vor einer massiven Neuverschuldung und einer sozialen Spaltung gewarnt. Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier prangerte den Vertrag als "grandiosen Fehlstart" an. Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, mit Schwarz-Gelb sei eine "soziale Eiszeit" angebrochen.

Westerwelle hochzufrieden: politischer Neuanfang

Westerwelle und Brüderle halten Simmkarten in die Höhe (Foto: AP)
Große Einigkeit auf dem Sonderparteitag: FDP-Chef Guido Westerwelle, links, und Rainer Brüderle stimmen für den KoalitionsvertragBild: AP

Ganz anders sah es die FDP. Auf ihrem Sonderparteitag in Berlin stimmten die 660 Delegierten am Sonntag mit großer Mehrheit für den Koalitionsvertrag. Es gab keine Gegenstimme fünf Enthaltungen. Der künftige Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle versprach einen politischen Neuanfang: "Jetzt geht die Arbeit für unser Land erst richtig los." Westerwelle zeigte sich hochzufrieden über die Vereinbarungen mit der Union. Der Parteichef betonte, die FDP habe in den Koalitionsverhandlungen ihre Kernforderungen durchsetzen können und halte somit auch bei den Wahlversprechen ihr Wort.

Westerwelle stellte vor den Delegierten die Vereinbarungen zur Gesundheitspolitik, zur inneren Sicherheit und zur Verkürzung der Wehrpflicht heraus. Insbesondere hob er die Steuerpolitik hervor: "Wir sorgen dafür, dass jetzt endlich Steuerklarheit herrscht mit einem Stufentarif, der in dieser Legislaturperiode kommt." Der Einstieg in eine grundlegende Steuerreform war eine der wichtigsten Wahlkampfforderungen der FDP gewesen.

Zugleich verteidigte der FDP-Chef die künftige Regierung gegen den Vorwurf der sozialen Kälte. Westerwelle verwies auf die geplanten Entlastungen für Familie, kleine und mittlere Einkommen sowie für Unternehmen. "Wer das kalte Politik nennt, dem ist in seiner Hirnverbranntheit nicht zu helfen", sagte Westerwelle. Deutschland werde von einer Koalition der Mitte regiert. Die FDP sei eine "Partei für das ganze Volk". Die Delegierten feierten Westerwelle nach seiner Rede mit minutenlangen Ovationen.

Fünf Ministerposten für die FDP

Seehofer, Westerwell und Merkel (Foto: AP)
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle und die CDU-Vorsitzende Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: AP

Die Fraktionen von FDP und Union hatten bereits am Samstag das gemeinsame Vertragswerk abgesegnet. In der neuen Regierung stellt die FDP insgesamt fünf Minister und acht Parlamentarische Staatssekretäre. Neben Westerwelle wechseln Dirk Niebel (Entwicklungshilfe), Rainer Brüderle (Wirtschaft), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz) und Philipp Rösler (Gesundheit) an den Kabinettstisch.

Parlamentarische Staatssekretäre werden unter anderem Hans-Joachim Otto und Ernst Burgbacher für das Wirtschaftsressort sowie Daniel Bahr für Gesundheit. FDP-Vizechefin Cornelia Pieper und Fraktionsvize Werner Hoyer werden Staatsminister im Auswärtigen Amt.

Der Finanzexperte Hermann Otto Solms erhält kein Ministeramt. Er bleibt laut Westerwelle Vizepräsident des Bundestages. Die neue FDP-Fraktion wählt ihren Vorstand an diesem Montag. Offen ließ Westerwelle, wer als Nachfolger Niebels neuer FDP-Generalsekretär werden soll.

Das Regierungsprogramm war in knapp drei Wochen von Union und FDP ausgehandelt und am Samstag von den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) vorgestellt worden. Zentraler Punkt darin sind Steuererleichterungen, die - trotz Haushaltsmisere - bereits ab 2010 greifen und ab 2011 den vollen Umfang von 24 Milliarden Euro erreichen sollen.

Am Dienstag kommt der Bundestag in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Am Mittwoch sollen Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt und die neue Regierung vereidigt werden. Für Donnerstag wird dann mit der ersten Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel gerechnet.

Autoren: Herbert Peckmann/ Ursula Kissel (dpa, rtr, afp, ap)
Redaktion: Eleonore Uhlich