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Schutz für Flüchtlinge trotz Terrorgefahr

Kay-Alexander Scholz / Klaudia Prevezanos21. Juli 2005

UNHCR-Chef Guterres hat erstmals seine Vorstellungen des Flüchtlingsschutzes vorgestellt. Der Schutz von Menschen dürfe nicht durch die Terrorangst leiden: "Flüchtlinge sind keine Terroristen", sagte er.

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Halima Ismail, Flüchtling im Sudan, braucht die Hilfe des UNHCRBild: AP

Er hat sich Zeit gelassen: Seit dem 15. Juni 2005 ist Antonio Guterres neuer Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR). Aber erst am Donnerstagnachmittag (21.7.) hat er seine Vorstellungen vom Amt des Flüchtlingskommissars vorgestellt. Guterres hat vor einer Diskriminierung von Asylbewerbern im Kampf gegen den Terrorismus gewarnt. Regierungen dürften in der notwendigen Auseinandersetzung gegen gewaltbereite Fanatiker die Rechte hilfloser Menschen nicht missachten, sagte er in Genf.

Flüchtlingen und Asylbewerbern müsse ungeachtet der terroristischen Gefahr weiter Schutz gewährt werden. "Flüchtlinge sind keine Terroristen", sagte er. In vielen Fällen seien Flüchtlinge die ersten Opfer des Terrors. Vor allem dürften sie nicht auf Grund ihrer Religion diskriminiert werden. "Muslimische Flüchtlinge müssen genau die gleichen Rechte haben wie andere Flüchtlinge." Der UN-Hochkommissar rief die westlichen Regierungen auf, eine Kultur der Toleranz zu fördern. "Sonst können wir die Auseinandersetzung mit den Terroristen nicht gewinnen."

UN-Generalsekretär Kofi Annan mit dem portugiesischen Premier Antonio Guterres
Antonio Guterres mit UN-Generalsekretär Kofi Annan (l.)Bild: dpa

Gut vernetzter Sympathieträger

Die Ernennung des 10. Flüchtlingskommissars wurde am 24. Mai von den Vereinten Nationen bekannt gegeben. Guterres' Vorgänger Ruud Lubbers musste nach dem Vorwurf der sexuellen Belästigung zurücktreten, bestritt die Anschuldigungen aber vehement.

Die Ernennung des 56-jährigen Guterres wurde in der weltweiten Medienöffentlichkeit begrüßt. Vor allem zwei Attribute zeichnen ihn aus: Er ist international gut vernetzt und gilt als Sympathieträger.

Warnung vor parteipolitischem Strudel

Für Menschenrechts- und Flüchtlingsspezialist Eckhard Klein von der Universität Potsdam ist der "besondere politische Draht" von Guterres eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite sei es wichtig, die Mitgliedsstaaten mobilisieren zu können, damit die Zusammenarbeit erfolgreich wird. "Andererseits darf ein solches Amt nicht in den Verdacht einer speziellen politischen Richtung geraten, sonst werden die nicht sozialistisch ausgerichteten Staaten die Mitarbeit versagen", warnte Klein gegenüber DW-WORLD.

Usbekistan Flüchtlinge in Kirgisistan
Usbekische Flüchtlinge in Kirgisistan im Mai 2005Bild: AP

Die Zusammenarbeit mit den jeweiligen staatlichen Behörden ist die Achillesferse des UNHCR. "Weil letztlich die Arbeit nicht das UNHCR macht, sondern die Zusammenarbeit und Mitarbeit braucht, damit die Vorschläge in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Da liegt in der Praxis manches im Argen und könnte verbessert werden," erläutert Klein und verweist beispielsweise auf die eigentlich vertraglich zugesicherte, aber nicht immer gewährte Auskunftspflicht der Mitgliedsstaaten gegenüber dem UNHCR.

Mehr Geld für Flüchtlinge

Manche aktuellen Probleme der UNHCR-Arbeit seien aber mit generellen Schwächen begründbar, unterstreicht Klein: "Die Tätigkeit des UNHCR im Rahmen der Vereinten Nationen müsste aufgewertet und auch finanziell besser gestellt werden. Zudem muss das Umfeld sicher sein." Die Vereinten Nationen müssten in den Hilfsgebieten stärker präsent sein, was auch den Einsatz internationaler Polizeistreitkräfte erfordern würde, meint Klein.

Seit 1999 ist der strenggläubige Katholik Präsident der Sozialistischen Internationale, einem weltweiten Zusammenschluss sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien. Von 1996 bis 2002 war er Regierungschef in Portugal. Guterres war einer von acht Kandidaten, die UN-Chef Kofi Annan für die Leitung des UNHCR in die engere Wahl gezogen hatte.

National umstritten

Antonio Guterres aus Portugal nominiert für den Posten als UN-Flüchtlingskommissar
Antonio GuterresBild: dpa

Persönlich gilt Guterres als äußerst besonnener, moderater Politiker und exzellenter Redner. Kritiker werfen ihm zuweilen eine zu große Scheu vor Konflikten und Unentschlossenheit vor. In Portugal war er lange sehr populär und galt als untypischer Sozialist, weil er teilweise auch gegen die Linie seiner Sozialistischen Partei PSP agierte. Während der EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2000 engagierte sich der "pragmatische Utopist" ("Neue Züricher Zeitung") stark für Europa. Er sorgte maßgeblich für den Boykott Österreichs wegen der Beteiligung der rechtspopulistischen FPÖ an der Wiener Regierung.

Zuhause holte ihn jedoch der ins Stocken geratene Reformprozess ein. Die Bevölkerung war zunehmend enttäuscht, dass der Staat Milliardenhilfen der EU für Prestigeprojekte - wie die Weltausstellung 1998 - statt für die Entwicklung des Landes ausgab. Nach einem miserablen Wahlergebnis bei Kommunalwahlen trat Guterres im Dezember 2001 als Regierungschef und kurz darauf als Chef der PSP zurück, die er seit 1992 geführt hatte.

Guterres wurde am 30. April 1949 in einem Vorort Lissabons geboren und stammt aus einer kleinbürgerlichen Familie. Sein Vater arbeitete im staatlichen Elektrizitätswerk. Guterres studierte Elektrotechnik und arbeitete vor seinem Eintritt in die Politik zunächst als Ingenieur und später als Direktor der Staatsholding IPE.