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Bis an die Spitze Europas

1. März 2014

Die europäischen Sozialdemokraten haben Martin Schulz zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt. Unerwartet kam das nicht, denn er war der einzige Bewerber. Seine Karriere ist dennoch überraschend verlaufen.

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Martin Schulz Parteitag der SPE in Rom (foto: ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images)
Bild: ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images

Martin Schulz will an Spitze der EU

Martin Schulz hat die Mehrheit der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) hinter sich: Bei ihrem Wahlkongress in Rom erhielt der 58-Jährige 368 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und 34 Enthaltungen. Im Wahlkampf kam dem bisherigen Präsidenten des Europaparlaments zugute, dass er der wohl bekannteste deutsche EU-Politiker ist und zudem fließend Englisch und Französisch spricht. Außerdem ist er bestens vernetzt: Er gilt als enger Vertrauter von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und telefoniert regelmäßig mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Von der Provinz in die europäische Metropole

Für Schulz ist die Nominierung zum Spitzenkandidaten ein neuer Schritt in einer steilen Karriere, die ihn vom Bürgermeistersessel einer deutschen Provinzstadt an die Spitze des Europaparlaments gebracht hat. Eine solche Laufbahn war dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Polizistensohn nicht in die Wiege gelegt. Geboren wurde Schulz 1955 im nordrhein-westfälischen Eschweiler. In der Schule glänzte er nicht gerade und schaffte es nicht bis zum Abitur. Stattdessen wurde er Buchhändler in der Kleinstadt Würselen, wo er seit mehr als 40 Jahren lebt.

Politisch engagierte er sich zunächst als lokaler Juso-Vorsitzender in der Friedensbewegung. Mit 31 Jahren würde er Bürgermeister von Würselen.

Seit 20 Jahren Europapolitiker

Ins Europaparlament wurde Schulz, der als politische Vorbilder Willy Brandt und Nelson Mandela nennt, erstmals 1994 gewählt. Im Jahre 2004 wurde er Chef der sozialistischen Fraktion, im Januar 2012 Präsident des Parlaments.

Auch in diesem Amt nimmt der 58-Jährige kein Blatt vor dem Mund, was erst kürzlich im israelischen Parlament für einen Eklat sorgte: Als er dort die Lebensbedingungen der Palästinenser im Gaza-Streifen kritisierte, verließen die Abgeordneten der nationalreligiösen Siedler-Partei "Jüdisches Heim" unter lauten Protestrufen den Saal. Im Europaparlament gab es nach diesem Vorfall kaum Kritik - zumal Schulz in der Knesset die Position der EU-Volksvertretung vertrat.

Auch bei politischen Gegnern hat sich der deutsche Sozialdemokrat im Parlament Respekt verschafft. Denn unter seiner Führung hat das Parlament seine Kompetenzen voll ausgeschöpft und an Selbstbewusstsein gewonnen.

So setzte das Europaparlament vor einigen Monaten durch, dass die neue Europäische Bankenaufsicht den EU-Volksvertretern gegenüber zu Transparenz und Rechenschaft verpflichtet ist - nachdem Schulz persönlich beim Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, interveniert hatte.

Bald Chef der EU-Kommission?

Das Parlament machte bereits klar, dass es nicht auf sein Mitspracherecht bei der Nominierung des nächsten Kommissionspräsidenten verzichten will. Zwar wird diese Personalie offiziell von den Staats- und Regierungschefs besetzt, doch müssen diese laut dem EU-Reformvertrag von Lissabon dabei erstmals das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen.

Damit hat Schulz nach Überzeugung von Insidern bei einem guten Wahlergebnis der SPE durchaus eine Chance für das Amt des Kommissionspräsidenten. Denn nicht wenige Abgeordnete unterschiedlicher politischer Couleur wünschen sich an der Spitze der Brüsseler Kommission einen Politiker, der den Staats- und Regierungschefs im Gegensatz zum derzeitigen Amtsinhaber José Manuel Barroso die Stirn bietet.

nis/cw (dpa, afp)