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Schulen zwischen Neutralität und Glauben

Elena Griepentrog 16. September 2005

Religion und Schulunterricht - darüber wird in Deutschland gerne hitzig diskutiert. Die CDU will Religionsstunden zur Pflicht machen. SPD und Kirchen plädieren für neutralen "Werteunterricht", zumindest als Alternative.

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Streit um den Religionsunterricht: Islamisch? Christlich? Neutral?Bild: dpa

Berlin im April 2005: Die Landesregierung aus SPD und PDS beschließt einen verbindlichen, konfessionslosen Werteunterricht für alle Schüler ab der 7. Klasse. Religionsunterricht kann allenfalls zusätzlich gewählt werden. Ein Aufschrei geht durch die Kirchen und Teile der Gesellschaft, nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland. "Kein Mensch in der SPD will einen Kirchenkampf", verteidigt Felicitas Tesch, schulpolitische Sprecherin der Berliner SPD, die Entscheidung. Der Religionsunterricht werde nebenbei bestehen bleiben. Doch Berlin sei nun einmal eine multireligiöse Stadt: "Da sitzt eben Ayse neben Peter. Und ich bin immer der Meinung, dann sollen sie auch wissen, was der oder die Andere glaubt." Deswegen wolle die SPD einen verbindlichen Werteunterricht für alle Schüler – konfessionenübergreifend.

"Wir würden eine Generation alleine lassen"

Unterricht türkische Schülerinnen mit Kopftuch im Schulzentrum in Bremen
Die CDU fordert mehr staatliche Aufsicht über die Inhalte des ReligionsunterrichtsBild: AP

Diese strikte integrationsorientierte Haltung missfiel jedoch auch vielen Politikern der Bundes-SPD. Die gemeinsame Protestkampagne von evangelischer und katholischer Kirche sowie der jüdischen Gemeinde unterschrieben auch hochrangige Bundes-SPD-Funktionäre wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Regierungssprecher Bela Anda. Sie wollen wie die Kirchen, dass sich die Jugendlichen zwischen konfessionellem Religionsunterricht und einem bekenntnisfreien Werteunterricht entscheiden können.

"Religionsunterricht ist nicht unsere Pfründe, wo wir als Baumschule unseren Nachwuchs rekrutieren", betont Steffen Schultz, Leiter der Abteilung Religionsunterricht und kirchliche Bildung in der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. "Religionsunterricht ist das Angebot der Kirche, in der staatlichen Schule etwas zu vermitteln von Inhalten des Glaubens." Eltern oder Großeltern würden Glauben seltener weitergeben. Ohne Religionsunterricht also, meint Schultz, "würden wir eine ganze Generation allein lassen."

Islamisch, christlich – Hauptsache Religion

Gewalt an Schulen Symbolbild (gestellte Szene): Zwei prügelnde Jungen, der größere hat den Kleineren in den Schwitzkasten genommen
Gewalt ist keine Lösung - ein Thema fürs Unterrichtsfach 'Werte und Normen'Bild: dpa

Im konfessionellen Religionsunterricht soll es regelmäßig auch gemeinsame Stunden mit den Schülern der anderen Religionen geben, damit sie die Glaubensinhalte der jeweils Anderen anschaulich kennen lernen können. Doch Religionsunterricht ist - wie die Bildung insgesamt - in Deutschland Sache der einzelnen Bundesländer.

Dennoch spielen die Grundlinien der Bildungspolitik auch bei der Bundestagswahl eine Rolle. Die SPD plädiert tendenziell dafür, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen. Anders die CDU. Sie setzt auf eine differenzierte Förderung und will auch dem konfessionellen Religionsunterricht einen größeren Stellenwert einräumen. "Wir sind für einen verbindliches Pflichtfach Religion, und zwar deutschlandweit", verkündet Monika Grütters, Bildungspolitikerin der CDU in Berlin. "Unter Religion gibt es dann natürlich auch die islamischen Religionsgemeinschaften oder andere." Wichtig sei staatliche Aufsicht auch über die Lerninhalte des Islamunterrichts.

Unterricht im Gymnasium
Die einen wollen Religionsunterricht - christlich oder islamisch - als Pflichtfach, die anderen wollen 'Werte' als AlternativeBild: dpa

Sollte es zu einem Machtwechsel in Deutschland kommen, wird sich auf dem Papier vorerst nicht viel ändern. Doch mit einer neuen Bundesregierung könnte sich auch die Bildungspolitik der Länder langsam verändern. Auch die Einstellung zum Religionsunterricht.