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EU Finanzen Griechenland

4. Oktober 2011

Die EU-Finanzminister beraten über die Lage in der Euro-Zone und Wege aus der Krise rund um Griechenland. Ein Schuldenschnitt wird wahrscheinlicher, meint Bernd Riegert.

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Es ist eine allgemein gültige Weisheit: Wirtschaftspolitik ist zur Hälfte eigentlich Psychologie. Den Beweis dafür liefern gerade die, wenn man sie so nennen will, Konfliktparteien im Streit um weitere Finanzhilfen für Griechenland. Die griechische Regierung behauptet, sie sei ohne die nächsten acht Milliarden Euro aus dem europäischen Notfall-Fonds bereits jetzt zahlungsunfähig und müsse Renten und Gehälter für die Staatsbediensteten schuldig bleiben.

Foto DW/Per Henriksen 08.06.2009
Bernd RiegertBild: DW

Die Finanzminister der 16 übrigen Euro-Länder, die den Euro als gemeinsame Währung haben, sagen jetzt, Griechenland braucht das Geld eigentlich erst im November. Erst wenn sich Athen noch mehr anstrengt, fließen überhaupt neue Mittel. Beide Seiten versuchen also Druck aufzubauen, die wirtschaftlichen Fakten scheinen dabei nicht mehr die entscheidende Rolle zu spielen.

Europäische Banken unter Druck

Dass Griechenland in diesem Jahr die ursprünglich vereinbarten Defizitgrenzen nicht einhalten würde, ist spätestens seit dem Frühsommer bekannt. Warum die Finanzmärkte auf die neuerliche Bestätigung dieser Meldung durch das griechische Finanzministerium mit Kursstürzen reagieren, bleibt ein Rätsel, oder eben Psychologie. Die französisch-belgische Dexia-Bank und andere Banken, die griechische Staatsanleihen halten, geraten schwer unter Druck, weil die Märkte längst vorausahnen, was kommen wird. Der Schuldenschnitt für Griechenland, also ein teilweiser Schuldenerlass unter Beteiligung der Gläubiger, wird früher oder später kommen. Je länger man wartet, desto teurer wird er.

Der Schuldenschnitt ist vermutlich schon im November nötig, deshalb wird die Auszahlung der nächsten Kredittranche auch noch herausgezögert. Für den Schuldenschnitt, also eine Umschuldung oder Restrukturierung, müssen vor allem die Gläubiger vorbreitet werden. Das sind europäische, aber auch amerikanische Banken, die noch griechische Staatsschulden halten. Gläubiger ist vor allem die Europäische Zentralbank, die den privaten Banken einen großen Teil der griechischen Staatsanleihen abgenommen hat. Am stärksten wird der Schuldenschnitt die griechischen Banken selbst treffen, bei denen sich der griechische Staat verschuldet hat. In Wahrheit geht es bei den Bemühungen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds, Griechenland zu retten, im Kern darum, das europäische Bankensystem zu retten und zu stützen.

EFSF muss Banken stützen

Es zeichnet sich aber ab, dass nicht alle europäischen und griechischen Banken gerettet werden können. Einige werden in sogenannte Bad Banks überführt werden müssen, wie es sich bei der belgisch-französischen Dexia bereits andeutet. Für diese Bad Banks wiederum muss dann der Europäische Rettungsfonds EFSF, also der europäische Steuerzahler mit seinen Garantien, geradestehen. Das kann er erst, wenn alle 17 Euro-Staaten den neuen EFSF-Vertrag ratifiziert haben. Das ist noch nicht geschehen, die Niederlande und die Slowakei fehlen noch. Im slowakischen Parlament soll spätestens bis zum 14. Oktober abgestimmt werden. Eine Zustimmung ist immer noch unsicher. Auch deshalb hat die Griechenland-Rettung jetzt plötzlich bis November Zeit.

Die Politik will die notwendige Zeit gewinnen, um den Schuldenschnitt im Falle Griechenland vorzubereiten. Unklar ist aber nach wie vor, wie sich dieser Schritt auf andere Krisenländer wie Spanien und Italien und deren Banken auswirken wird. Klar ist allerdings, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Die ständig, alle drei Monate neu aufgeführte Tragödie um Griechenland und Hilfskredite, verunsichert Anleger mehr, als dass sie die Finanzmärkte beruhigt. Deshalb ist ein Ende mit Schrecken, also ein Schuldenschnitt, wahrscheinlich besser als ein Schrecken ohne Ende, eine Verlängerung der fruchtlos erscheinenden Kreditgaben für Athen. Letztlich können aber die Finanzexperten nicht bis ins Letzte voraussagen, was ein Schuldenschnitt im Bankensystem auslöst, deshalb scheuten die Finanzminister bislang davor zurück.

Entscheidungen sind gefragt

Am 17. Oktober treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zum nächsten Gipfel. Dann müssen Entscheidungen fallen. Die Parole "Weiter so!" reicht nicht mehr aus. Parallel zu den Bemühungen in Europa haben sich die führenden Zentralbanken bereits darauf vorbereitet, eine neue Krise im Bankenwesen abzupuffern. Sie leihen europäischen Banken Geld, um deren Liquidität zu gewährleisten. Auch die Gruppe der 20 führenden Industriestaaten und Schwellenländer ist dabei, diese Maßnahmen zu stützen, um eine Weltfinanzkrise abzuwenden. Diese Schritte sollen die Finanzmärkte, die ja angeblich so sensibel sind, beruhigen. Zur Hälfte ist auch dies natürlich Psychologie.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Iveta Ondruskova