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Schröder/Putin: "Das Unangenehme bleibt vor der Tür"

14. April 2005

Gerhard Schröder und Wladimir Putin haben einen weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern angekündigt. Es muss dabei jedoch um mehr als Gas und Öl gehen, meint Cornelia Rabitz in ihrem Kommentar.

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Es ist eine Veranstaltung ganz nach dem Geschmack der beiden Spitzenpolitiker: Bundeskanzler Gerhard Schröder und der russische Präsident Wladimir Putin sangen anlässlich der Hannover-Messe gemeinsam das Hohelied der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, priesen die enge Kooperation im Energiebereich, lobten Unternehmen, unterschrieben Verträge, bekundeten Zukunftshoffnungen - ein glücklicher Tag für die beiden politischen und persönlichen Freunde. Den mochte man sich weder durch unbotmäßige Reporterfragen, noch durch Verweise auf brisante politische Probleme wie etwa die Lage in Tschetschenien oder die bedrohte Pressefreiheit in Russland verderben lassen. Hier standen zwei Weltökonomen Seit' an Seit' und lobten das freie Unternehmertum.

Unternehmer brauchen Verlässlichkeit

Man soll Gutes nun nicht mutwillig Schlechtreden. Und zweifellos gibt es im Bereich der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen sehr viele positive Ergebnisse. Dass dies den Volkswirtschaften beider Seiten und damit auch Menschen und Arbeitsplätzen zugute kommt, versteht sich von selbst. Und dennoch: Deutsche Unternehmen, die sich in Russland engagieren, brauchen stabile Rahmenbedingungen. Rechtssicherheit. Schutz vor der ausufernden Bürokratie. Transparenz. Verlässliche Partner. Dies alles aber gedeiht nur in einem entsprechend freiheitlichen politischen Klima. Präsident Putin freilich hat den Weg der innenpolitischen Demokratisierung inzwischen verlassen, er pflegt einen autoritären Stil, setzt auf Staatsinterventionen und Kontrolle.

All dies ficht Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht an, solange nur Öl sprudelt und Gas durch die Pipelines strömt. Das Unangenehme, der Bürgerkrieg in Tschetschenien zum Beispiel, bleibt, wie stets, draußen vor der Tür. Menschenrechtsorganisationen oder eine Handvoll unverdrossener Parlamentarier mögen sich darum kümmern. Dem deutschen Regierungschef droht aus den eigenen Reihen keine ernsthafte Opposition mehr in Sachen Russland-Politik.

Schweigen bringt nichts

Es stimmt: nicht jeder öffentlich ausgesprochene flammende Appell nützt einer guten Sache wirklich. Ein Kanzler äußert Kritik an Spitzenpolitikern anderer Staaten nicht auf den Marktplätzen dieser Republik. Und dennoch ist die Frage erlaubt: Was hat denn Schröders politische Zurückhaltung gegenüber der russischen Führung bewirkt? Wo haben engere Wirtschaftskontakte der Demokratisierung in Russland geholfen? Und was, bitte, ist mit der deutschen und europäischen Tschetschenien-Politik?

Ein veritabler Skandal war kurz vor der Eröffnung der Hannover Messe gerade noch einmal vermieden worden. Der tschetschenische Vizepremier Ramsan Kadyrow, ein skrupelloser Milizenchef und verantwortlich für Folter, Entführungen und Mord an der Zivilbevölkerung, begleitete Präsident Putin nun doch nicht nach Deutschland. Hat das Kanzleramt von sich aus Einspruch gegen den finsteren Begleiter erhoben? Oder ist man erst durch kritische öffentliche Reaktionen aufmerksam geworden? Zweifel jedenfalls sind erlaubt.

Und dennoch muss, wenige Wochen vor den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Kriegsendes, auch dies festgehalten werden: Die deutsch-russischen Beziehungen sind, glücklicherweise, mehr als der Austausch von Kapital, Rohstoffen und Maschinen. Sie basieren auf einer Vielzahl von Kontakten, Freundschaften und Gemeinsamkeiten. Sie umfassen Kulturprojekte ebenso wie Reisen und Jugendaustausch. Das ist nicht wenig - sechs Jahrzehnte nach dem Ende des großen Mordens. Und wenn der Kanzler den von deutschen Nationalsozialisten angezettelten Krieg in Erinnerung ruft, der allein in der damaligen Sowjetunion 20 Millionen Opfer kostete, wenn er davon spricht, dass die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland nach diesen historischen Erfahrungen etwas Besonderes ist, dann hat er zweifellos recht. Wirtschaftlich kooperieren bedeutet vor diesem Hintergrund auch: Zukunft gestalten.

Cornelia Rabitz
DW-RADIO/Russisch, 11.4.2005, Fokus Ost-Südost