Waffenruhe in Nahost?
17. Juni 2008Die ägyptische Nachrichtenagentur MENA meldete am Dienstag (17.6.2008) unter Berufung auf einen ranghohen ägyptischen Regierungsvertreter, beide Seiten hätten vereinbart, die "erste Phase" eines Abkommens zur Einstellung der Kämpfe umzusetzen. Die Waffenruhe im Gazastreifen solle ab Donnerstagmorgen 6 Uhr Ortszeit (5 Uhr MESZ) gelten. "Ägypten hofft, dass beide Seiten alles unternehmen werden, um die Waffenruhe zum Erfolg zu machen", wurde der Regierungsvertreter von MENA zitiert.
"Vorsichtiger Optimismus" in Jerusalem
Doch der israelische Rundfunk meldete unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Ehud Olmert, es gebe noch keine endgültige Zusage. Allerdings gebe es eine informelle Übereinkunft über ein Einstellen der Kämpfe. Ranghohe Beamte sprachen von "vorsichtigem Optimismus".
Regierungssprecher Mark Regev sagte, entscheidend seien aber nicht Worte sondern Taten. Wenn es keine Terroranschläge und Angriffe auf Israel mehr gebe und der von der radikalislamischen Hamas-Organisation verschleppte israelische Soldat Gilad Schalit freikomme, dann sei dies in der Tat eine neue Situation. Israels Chefunterhändler Amos Gilad brach am Dienstagabend überraschend nach Kairo auf.
Hamas bestätigt Feuerpause
Hamas-Sprecher Fausi Barhum bestätigte in Gaza die ägyptischen Angaben. Die Hamas werde sich an jedes Datum, das von Ägypten genannt werde, halten. Die Hamas wolle noch mit anderen Palästinenserorganisationen im Gazastreifen sprechen.
Der Vereinbarung zufolge sollen die Feindseligkeiten zunächst für drei Tage eingestellt werden. Dann werde Israel einen Grenzübergang zum Gazastreifen öffnen, um nach mehrmonatiger Blockade die Lieferung wichtiger Güter wieder zu ermöglichen, erklärte ein Hamas-Vertreter.
Waffenruhe nicht von Dauer?
In einer zweiten Phase sei die Rückgabe des israelischen Soldaten Gilad Schalit geplant. Im Gegenzug werde Israel den wichtigsten Grenzübergang nach Ägypten, Rafah, wieder öffnen. Die Waffenruhe solle zunächst sechs Monate gelten und könne auf das Westjordanland ausgeweitet werden.
Dass die Feuerpause so lange halten könnte, glauben indes laut israelischen Medienberichten weder die israelische Regierung noch die Armee. Schließlich müsste dazu die Hamas auch alle anderen militanten Palästinensergruppen auf einen Gewaltverzicht einschwören. Nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium hält Israel deshalb weiterhin an der Planung einer breit angelegten Militäroperation fest, falls die Waffenruhe nicht hält.
Geschundene Zivilbevölkerung
Ägypten bemühte sich seit Monaten unter der Federführung von Geheimdienstchef Omar Suleiman um eine Waffenruhe zwischen den beiden Parteien. Israel hatte den rund 360 Quadratkilometer großen Gazastreifen nach eigenen Angaben wegen der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit im Juni 2006, der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas Mitte Juni 2007 sowie des fortwährenden Raketenbeschusses weitgehend isoliert.
Menschenrechtsorganisationen hatten dies als kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung kritisiert. Die Versorgungslage der rund 1,4 Millionen Bewohner des Gazastreifens hat sich durch die fast einjährige Grenzblockade drastisch verschlechtert, rund 80 Prozent sind auf Lebensmittelhilfen der Vereinten Nationen angewiesen.
Fünf Tote bei Luftangriff
Bei israelischen Militärschlägen wurden seit Juni 2007 mehr als 400 Menschen im Gazastreifen getötet, des Weiteren gab es tausende Verletzte. Bei Raketenangriffen palästinensischer Extremisten kamen bis Mitte Juni sechs israelische Zivilpersonen ums Leben, 110 wurden verletzt. Bei Kämpfen wurden zudem elf israelische Soldaten getötet.
Kurz vor Bekanntwerden der Waffenruhe gab es noch zwei israelische Luftangriffe im Gazastreifen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben fünf Extremisten getötet und zwei weitere Menschen verletzt. Die Hamas verurteilte den Angriff. (ag)