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Pekings Olympia-Erbe

Matthias von Hein19. Juli 2012

Peking 2008: Eine bombastische Eröffnungsfeier, perfekte Organisation, spektakuläre Stadien Bauten. Heute stehen die meisten Stadien leer. Hoffnungen auf eine politische Öffnung erfüllten sich nicht.

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Gigantische Ressourcen für glanzvollen Auftritt: Peking 2008. (AP Photo/Natacha Pisarenko)
Olympische Ringe als Feuerwerk bei der Eröffnungsfeier in PekingBild: AP

Ausgerechnet an dem Tag, an dem in London feierlich die Olympische Spiele eröffnet werden, wird sich auch gut 8000 Kilometer entfernt das ehemalige Olympiastadion in Peking wieder mit Menschen füllen. Englische Spitzenfußballer sollen am 27. Juli dafür sorgen, dass wenigstens ein Teil der 80.000 Plätze im "Vogelnest" mit Zuschauern besetzt ist. Sie kommen, um Fußball zu sehen: Arsenal London spielt an diesem Tag gegen Manchester City. Heimischer Fußball wird nur in kleineren Stadien gespielt: Zu Spielen des von Korruptionsvorwürfen geplagten Pekinger Fußballclubs Guo'An kommen höchstens 10.000 Zuschauer.

Draußen reicht fürs Erinnerungsfoto

Die spektakuläre Stahlkonstruktion, das Wahrzeichen der Olympischen Spiele von 2008, steht heute meistens leer. Es ist weniger Sportstätte als vielmehr Touristenattraktion. Wer hinein will, muss umgerechnet sechs Euro zahlen. Ein Tourist aus der ostchinesischen Shandong findet das zu teuer und findet, man könnte die Preise ruhig senken. Ohnehin schauen sich viele Leute das Vogelnest nur von außen an. Das reicht auch für das Erinnerungsfoto.

China hat im Jahr 2008 Olympische Spiele der Superlative abgehalten. 16 Wettkampftage, 302 Goldmedaillen, 37 Sportstätten - viele auf Atem beraubende Weise neu gebaut. Unter dem Slogan "Eine Welt, ein Traum" hat China Schätzungen zufolge für die Olympischen Spiele rund 40 Milliarden US-Dollar investiert – knapp viermal so viel wie London. Die Infrastruktur von Peking wurde ausgebaut, das Stadtgebiet umgestaltet. Viele Besucher des Olympiageländes sind der Meinung, die Ausgaben hätten sich gelohnt. Eine Touristin aus Chinas Nordosten sieht im Vogelnest oder dem Wasserwürfel, dem blau-schimmernden Schwimmstadion von 2008, Symbole des neuen Chinas: "Hier kann man Chinas Entwicklung und die neuen Gebäude sehen. Sie sind richtig gut."

Vom Architekturwunder zum Spaßbad: Pekings Wasserwürfel. (Foto:Alexander Freund)
Vom Architekturwunder zum Spaßbad: Pekings WasserwürfelBild: DW / Alexander Freund

Wasserwürfel wurde Spaßbad

Der Wasserwürfel wurde nach den Spielen von 2008 zum Spaßbad umgebaut. Umgerechnet 24 Euro kostet der Eintritt – für viele Menschen zu teuer. Ob die ursprünglich eingeplanten 3000 Eintrittskarten pro Tag tatsächlich verkauft werden, wollte die Betreibergesellschaft nicht verraten. Nur so viel: An der Wasserrutsche müsse man derzeit nicht anstehen.

Einige der kleineren Wettkampfstadien von 2008 können tatsächlich Erfolge bei der Nachnutzung vermelden, etwa das 20.000 Sitzplätze fassende "Indoor Stadium", nur wenige hundert Meter vom Vogelnest entfernt. Aber viele andere Gebäude auf dem Olympiagelände stehen leer und vergammeln. Ein Pekinger macht seinem Ärger Luft und spricht von Verschwendung. In den leer stehenden Gebäuden könnten doch wenigstens Kinder oder ältere Leute Sport treiben.

Kosten spielen keine Rolle

Für den Duisburger China-Forscher Thomas Heberer ist klar, dass die politische Führung China dem Ausland mit einer Veranstaltung der Superlative präsentieren wollte - und Fragen der Nachnutzung der Anlagen keine Rolle gespielt haben: "Bei solchen Vorhaben spielen Kosten keine Rolle und auch die Folgekosten werden von den entsprechenden politischen Entscheidungsträgern gar nicht in Betracht gezogen."

China hatte versucht, den Olympischen Spielen einen Ökologischen Anstrich zu geben. Die Rede war von "Grünen Spielen". Die Umweltorganisation der Vereinten Nationen UNEP hat diese Bemühungen in einem Bericht vom Februar 2009 ausdrücklich anerkannt. Da wird der Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems genannt, speziell die neuen U-Bahn-Linien, oder auch der Kauf von 4000 Erdgas-betriebenen Bussen. Es wird notiert, dass inzwischen 90 Prozent der Abwässer Pekings geklärt werden, dass 30 Millionen Bäume und Büsche gepflanzt wurden. Zum Beispiel im olympischen Waldpark nördlich des Wettkampfgeländes. Der ist inzwischen so etwas wie eine grüne Lunge der Stadt. Mit 680 Hektar ist er doppelt so groß wie der Central Park in New York. Auch die Pekinger Umweltaktivistin Dai Qing freut sich über die neu gepflanzten Bäume. Aber sie fragt: "Wo kommt das Wasser zum Bewässern der Bäume her?". Denn in Peking ist Wasser knapp.

Auf der Haben-Seite der Spiele: Der U-Bahn Ausbau. (AP Photo/Andy Wong)
Auf der Haben-Seite der Spiele: Der U-Bahn AusbauBild: AP
Repräsentation ist alles, Geld spielt keine Rolle (Foto: EPA/MICHAEL REYNOLDS/dpa)
Repräsentation ist alles, Geld spielt keine RolleBild: picture-alliance/ dpa

Peking droht Wasserknappheit

Die Stadt trinkt über den Durst. 70 Prozent des Wasserverbrauchs wird in Peking durch Grundwasser gedeckt. Entsprechend sinkt der Grundwasserspiegel, um etwa einen Meter pro Jahr. Selbst offizielle Quellen bezeichnen die Lage der Wasserversorgung als gefährdet. Auch sonst hat sich die Umweltsituation insgesamt den Augen der Umweltaktivistin nicht dauerhaft verbessert. Das hat auch mit dem wachsenden Autoverkehr zu tun. 2008 waren auf Pekings Straßen rund drei Millionen Autos unterwegs. Heute verstopfen fünf Millionen Autors die Straßen der chinesischen Hauptstadt. Chinakundler Heberer macht als positiven Effekt der "Grünen Spiele" immerhin ein wachsendes Problembewusstsein aus: "Umwelt als solche und Umweltschutz spielen in den Medien und im öffentlichen Diskurs eine wesentlich größere Rolle."

Seit 2008 knapp verdoppelt: Autos in Peking. (AP Photo/Ng Han Guan)
Seit 2008 knapp verdoppelt: Autos in Peking.Bild: AP

Ansonsten haben die Olympischen Spiele in politischer Hinsicht keinen erkennbaren Wandel gebracht. Es sei eine Illusion gewesen zu glauben, die olympischen Spiele würden in China zu politischem Wandel führen, erklärt Thomas Heberer. Die Öffnung Südkoreas nach den Olympischen Spielen 1988 sei auf China nicht übertragbar:

Die Aktivistin Dai Qing stimmt zu. Zwar seien kurz vor und während der Spiele in Peking etwa die Medien freier gewesen und auch sonst gesperrte ausländische Medien in China zugänglich. Das habe aber nur kurz gedauert. Heute sei die Zensur strenger als zuvor.