Schmeichlerische Sprachmelodien
20. September 2004Dank digitaler Fernsehtechnik komme ich seit geraumer Zeit in den Genuss ausländischer Spartenprogramme. Polnische Showmaster und türkische Entertainer treffen sich seitdem zum munteren Stelldichein in meiner Küche. Ich ergötze mich an der babylonischen Sprachvielfalt, lehne mich zurück und verstehe kein Wort. Das ist auch gar nicht nötig.
Linguisten und Weltverbesserer
Einfach nur fremdländisch soll es klingen, wenn exotische Sprachmelodien meinen Ohren schmeicheln. Von den rund 6000 existenten Sprachen spreche ich nicht einmal eine knappe Hand voll. Auch dem Elbischen und Klingonischen bin ich nicht mächtig - spreche kein Volapük und kein Esperanto. Dabei bilden gerade diese Universal- und Kunstsprachen ein unterhaltsames Betätigungsfeld für Leute von heute.
Unglaublich welch sprachliche Vielfalt Weltverbesserer, gelangweilte Linguisten und Freunde abwegiger Hobbys seit Jahrhunderten im stillen Kämmerlein zusammengebastelt haben. An ausgebufften Ideen für eine einfache, leicht zu erlernende Sprache für alle, war bisher kein Mangel. Nur die Massen haben sich noch nicht wirklich überzeugen lassen. Dabei hat alles so schön angefangen, als einem deutschen Pfarrer im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts der erste große Kunstsprachenerfolg gelang.
Volapük statt Deathmetal
Statt sich in schlafloser Nacht sinnlos hin und her zu wälzen, brachte Johann Martin Schleyer nämlich lieber den Entwurf einer neuen Sprache zu Papier. "Die zerrissene Welt sprachlich umschlingen und Völker verknüpfen" sollten die acht Vokale und 20 Konsonanten der Kunstsprache Volapük (Vol= Welt, a= Genitivendung, pük= Sprache). Von den schon bald 100.000 aktiven Sprechern der Sprache blieben allerdings nicht viele übrig - weltweit soll es heute noch maximal 50 Volapük-Kundige geben.
Auch Idiom, Interlingua oder Esperanto - die bisher populärste Kunstsprache - erwiesen sich nicht als durchschlagend erfolgreich. Die meist prophezeite "Lösung des Weltsprachenproblems" blieb bisher aus. Zwar soll es immer noch bis zu zehn Millionen Esperanto-Sprecher weltweit geben. Mit Blick auf die globale Bevölkerungskurve schrumpft das Häuflein wackerer Weltsprachler jedoch kümmerlich zusammen. Selbst die Zahl katholischer Deathmetal-Fans dürfte weltweit höher liegen.
Kryptische Fantasie
Manchmal funktioniert es dann aber doch. Zwar war die klingonische Sprache eigentlich nur ein Seitenaspekt der amerikanischen Science-Fiction Serie "Star Trek". Doch die von Marc Okrand im Auftrag der Filmgesellschaft Paramount geschaffene Fantasiesprache erfreut sich trotz kryptischer Zungenbrecher weltweit wachsender Beliebtheit. Warum nicht nur fanatische Science-Fiction Anhänger auf einmal eine Sprache mit 10 Klassen von Verbalsuffixen und Bandwurmkonstruktionen lernen, bleibt dabei völlig unklar. Wenn immer mehr Menschen die fiktive Sprache fiktiver Außerirdischer lernen wollen, sind simple Erklärungsmodelle rar.
Nicht wirklich erklären lassen sich wohl auch die Verirrungen eines gewissen Dr. D`Armond Speers. Der promovierte Linguist berichtet in einem Dokumentarfilm über hartgesottene Klingonenfans ("Earthlings" von Alexandre O. Philippe) ruhig und gewissenhaft, dass er mit seinem Sohn die ersten drei Lebensjahre ausschließlich Klingonisch gesprochen habe. "Als ich ihn einmal in Klingonisch fragte wo sein Fläschen sei und er danach griff, war das ein wundervoller Augenblick."
Do-it-yourself
Auf der Internetseite zompist.com findet sich übrigens eine Anleitung zum Entwerfen von Sprachen. Eine eigene Sprache mit eigenen Zeichen, eigener Grammatik und einem ganz eigenen Klang? Das hört sich nach einem schönen neuen Hobby an.