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Kein Fortschrittsbericht

Bernd Riegert1. November 2007

Dämpfer für künftige EU-Beitrittskandidaten: Die Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission, die in der kommenden Woche veröffentlicht werden, listen eine Reihe von Mängeln auf.

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EU-Kommissar Olli Rehn, Quelle: AP
EU-Kommissar Olli Rehn hat viel zu bemängelnBild: picture-alliance/dpa

In der kommenden Woche wird es voraussichtlich schlechte Noten für einige künftige EU-Beitrittskandidaten geben. Die stellvertretende mazedonische Regierungschefin, Gabriela Konevska-Trajkovska, die für die EU-Integration zuständig ist, hatte kürzlich erklärt, ihr Land könne von 2008 an über einen Beitritt verhandeln. Bereits im Juli aber hatte die EU-Kommission kritisiert, dass die Rechte der albanischen Minderheit besser geschützt werden müssten. Im letzten Jahr sei eine Menge Zeit vertan worden, heißt es im Entwurf des Fortschrittsberichtes. Eine Reihe von Gesetzen, besonders die Justizreform, sei durch interne politische Querelen blockiert. Die Korruption sei weit verbreitet und nach wie vor ein ernstes Problem. Nach dem Regierungswechsel 2006 in Mazedonien habe es unverhältnismäßig viele Entlassungen von Beamten gegeben, die der neuen Regierung nicht genehm waren.

Bevor Verhandlungen über den angestrebten Beitritt zur EU aufgenommen werden könnten, müsse das organisierte Verbrechen besser bekämpft werden, heißt es in den Papieren der EU-Kommission.

Großer Namensstreit

Angemahnt wird außerdem die Lösung des Streits zwischen Griechenland und Mazedonien um den offiziellen Namen des Landes. Auf griechischen Druck hin heißt Mazedonien offiziell "Frühere jugoslawische Republik Mazedonien (FYROM)". Griechenland, dessen nördliche Provinz ebenfalls Mazedonien heißt, befürchten territoriale Ansprüche der Mazedonier im Nachbarland. Dass die Mazedonier den Flughafen in der Hauptstadt Skopje nach Alexander dem Großen benannt haben, empfinden die Griechen als Provokation. Beide Staaten reklamieren den vor 2330 Jahren verstorbenen Feldherrn für sich.

Seit 1993 verhandeln Athen und Skopje unter Vermittlung der Vereinten Nationen über einen neuen Namen für "FYROM", bislang ohne Erfolg. Vor einigen Tagen begann eine neue Runde von Verhandlungen in New York. Der Namensstreit könnte auch die Aufnahme Mazedoniens, das sich selbst Republik Mazedonien nennen möchte, in die Militärallianz NATO verzögern.

Türkei: Reformen verlangsamt

Die EU-Kommission verpasst in ihrem Fortschritts- und Strategiebericht der Türkei ebenfalls einen Dämpfer. Die nötigen Reformen seien in der Türkei im ablaufenden Jahr arg verlangsamt worden, kritisiert die Kommission. Mit der Türkei hat die EU formal vor zwei Jahren Beitrittsverhandlungen aufgenommen, die aber nur schleppend verlaufen, da sich die Türkei weigert, das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn lobte in einem Interview aber kürzlich, dass die Türkei mit den Wahlen zum Parlament und der Präsidentenwahl ihre institutionelle Krise überwunden habe. Die neue Regierung sollte den EU-Beitritt zu ihrer ersten Priorität machen und den Reformprozess wieder anschieben, sagte Rehn.

Nötig sei eine Aufhebung oder Neufassung des Strafrechtsparagrafen 301, die so genannte Verunglimpfung des Türkentums, der eine ernste Einschränkung der Meinungsfreiheit darstelle. Die EU-Kommission kritisiert in ihrem Bericht, der nächsten Dienstag (6.11.2007) veröffentlich werden soll, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Menschen, die aufgrund des Paragrafen 301 wegen Beleidigung des Türkentums belangt werden sollten, stark angestiegen sei.

Strittige Rolle des Militärs

Die politische Rolle der Militärführung in der Türkei ist nach Einschätzung der EU immer noch zu groß, doch sei die politische Krise in diesem Jahr zugunsten der Regierung gelöst worden. "Lieber keinen Putsch und dafür etwas langsamere Reformen," sagte ein EU-Diplomat der "Financial Times Deutschland".

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn fordert die Türkei auf, nach zwei Jahren Stillstand das so genannte Ankara-Protokoll umzusetzen und zypriotische Schiffe und Flugzeuge ins Land zu lassen. Rehn wies auch darauf hin, dass die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei kein Kriterium für die Beitrittsverhandlungen seien.

Der Armenier-Streit

Die Türkei bestreitet, dass es am Ende des Ersten Weltkrieges einen Völkermord des Osmanischen Reiches an den Armeniern gegeben hat. Insbesondere die Begrifflichkeit des Genozids stößt auf große Kritik.

Die EU-Kommission verurteilt die Terrorattacken der kurdischen PKK auf türkische Bürger, drängt die türkische Regierung aber gleichzeitig, mit dem Irak eine einvernehmliche Lösung für den Kampf gegen kurdische Terroristen zu finden, die vom Nordirak aus die Türkei angreifen.

Doch noch eine Kursänderung?

Insgesamt ist der Ton des so genannten Fortschrittsberichts für die Türkei gegenüber dem Vorjahr nicht verschärft worden, aber es sind eben auch keine Fortschritte zu verzeichnen. Trotzdem sei der angestrebte Beitritt der Türkei für die Europäische Union ein sehr wichtiger, vitaler Schritt, um mit den Herausforderungen in der Energie- und Klimapolitik und bei der Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung klar zu kommen, sagte Rehn in einem Interview.

Er gehe nicht davon aus, dass die EU ihren Kurs gegenüber der Türkei ändern werde, obwohl der neue französische Präsident Nicolas Sarkozy der Türkei nur eine privilegierte Partnerschaft anbieten will. Zu einer Kursänderung wäre ein einstimmiger Beschluss der 27 EU-Staaten nötig.