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Schlange stehen im Sozialismus

Rodrigo Santamaria5. Januar 2016

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel besucht Kuba. Seit der langsamen Öffnung des Karibikstaats wittern Unternehmer weltweit gute Geschäfte. Da will Deutschland nicht fehlen - doch noch ist ein langer Atem nötig.

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Kuba Symbolbild Wirtschaft (Foto Picture Alliance)
Ein Klassiker auf Kubas Straßen - im Hintergrund von den chinesischen Firmen gebaute ÖlpumpenBild: picture-alliance/AP Photo/F. Reyes

Mehr als 110 Jahre nach der Unabhängigkeit Kubas flanierte Frank Walter Steinmeier als erster Außenminister Mitte des vergangenen Jahres durch die Altstadt von Havanna - am Mittwoch (06.01.2016) folgt nun Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit etlichen Unternehmern im Schlepptau. Demnächst soll ein Büro der deutschen Wirtschaft eröffnet werden. Lange haben sich deutsche Politiker von Kuba ferngehalten. Nun kommen die Steine ins Rollen. Doch die deutsche Wirtschaft liegt nicht alleine auf der Lauer.

Seit Raúl Castro als Chef der Kommunistischen Partei die Nachfolge seines Bruders Fidel antrat, überrascht Havanna immer wieder mit kleinen Schritten zur Öffnung. So zum Beispiel mit der Eröffung von Hotspots für das Internet für die bisher weitestgehend abgeschnittene Bevölkerung.

Internet in Kuba (Foto: Andreas Knobloch)
Einer von 35 drahtlosen Hotspots an öffentlichen Orten. Zensiert wird das Netz noch immer, aber der Zugang ist jetzt einfacher.Bild: Andreas Knobloch

Das Ende der politischen Eiszeit zwischen US-Präsident Obama und der Führung in Havanna Ende 2014 deuteten viele ausländische Unternehmer als Zeichen eines baldigen Endes der US-Embargopolitik.

Wie viel Kapitalismus ist möglich?

So schütteln internationale Staatsmänner in Havanna Hände im Akkord - und hoffen auf ein Stück vom Wachstumskuchen des Sozialismus. Die Internationalen Havanna-Messe verzeichnete 2015 abermals einen Ausstellerrekord. US-Amerikanier, Spanier, Kanadier und Chinese sind deutlich aktiver als die Deutschen. Das machen einige nackte Zahlen deutlich: Bei den deutschen Ausfuhren lag Kuba im Jahr 2014 auf Platz 101. Bei den Importen sogar auf Rang 125. Insgesamt sind circa 30 deutsche Unternehmen auf Kuba vertreten.

Sigmar Gabriel würde das gerne ändern, doch für die Unternehmen ist der Markteintritt nicht einfach. "Es ist mit einem großen Risiko verbunden, in Kuba zu investieren. Es gibt keine juristische Sicherheit und keine Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen", so der in Spanien lebende kubanische Ökonom Elias Amor.

Bundesaußenminister Steinmeier besucht Kuba (Foto: dpa)
Außenminister Steinmeier bei seinem Besuch im Sommer 2015Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Tatsächlich gibt der kubanische Staat bei Investition aus dem Ausland den Ton an. Der Katalog der "Möglichkeiten der Investitionen" ist 109 Seiten lang und umfasste im abgelaufenen Jahr 326 solcher Investitions-Möglichkeiten. Dabei gibt der Staat ganz konkrete Projekte vor, an denen sich Ausländer engagieren können. Wer sich zu einer solchen Investition entscheidet, der kann dies nicht ohne einen kubanischen Joint Venture Partner. Dieser wiederum ist häufig ein Staatsbetrieb.

Arbeitskräfte sind weiterhin nur über staatliche Agenturen zu bekommen. Internationale Unternehmen schließen mit Agenturen Verträge ab und zahlen ein Vielfaches des Durchschnittslohns. Wohin der Rest des Geldes fließt ist ungewiss. So rät auch der Lateinamerikaverein auf seiner Webseite, dass Geschäftsleute auf Kuba "eine große Portion Leidenschaft und die Geduld mitbringen, sich eine Marktnische und das entsprechende Beziehungsgeflecht aufzubauen." Ökonom Elias Amor nennt Letzteres "Freundschafts-Kapitalismus". "Wer als Ausländer Geld verdienen möchte, der kann das nur mit guten Beziehungen zur politischen Führung", so Amor, der auch Vize-Präsident der Kubanischen Liberalen Union ULC ist. Der Exilant befürchtet sogar, dass eine übereilte Normalisierung der Kuba-Politik das Fortbestehen des Regimes in Havanna fördern könnte.

Riesiger Nachholbedarf

Mit seinen 11 Millionen Einwohnern ist Kuba global gesehen eher ein kleiner Markt und auch die Kaufkraft ist wegen der geringen Einkommen noch kaum ein Anreiz. Doch nach jahrzehntelanger Planwirtschaft ist der Nachholbedarf groß. Straßen und Gebäude müssen renoviert, die Infrastruktur aufgemöbelt werden. Die langjährige gute medizinische Forschung könnte im Bereich Pharmazie neue Möglichkeiten eröffnen. Und die Landwirtschaft ist auf einem Stand der 60er Jahre - schon seit Längerem kann der Karibikstaat seinen Lebensmittelbedarf nicht decken. Grundnahrungsmittel wie Reis und Bohnen werden teuer aus Asien und Brasilien importiert.

Kuba Palmenstrand Playa Ancon bei Trinidad
Einzige Wachstumsbrache - der TourismusBild: picture-alliance/Huber

Wirklich erfolgreich läuft bisher nur der Tourismus-Sektor. Bis zum Oktober 2015 hatten mehr als 2,6 Millionen Besucher Kuba als Ziel gewählt. Damit ist der Bereich im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittlich stark gewachsen. Der Fremdenverkehr bringe Gäste mit Devisen ins Land und genieße daher größere Freiheitsgrade bei Unternehmern, heißt auf den Seiten des Lateinamerikavereins. Fast ein Drittel der staatlich ausgeschriebenen Projekte fällt auf den Sektor.

Ein weiteres Spielfeld des Kapitalismus ist der Industriehafen Mariel, den auch Wirtschaftsminister Gabriel besuchen wird. Mit dem Projekt will die Regierung den Hafen von Havanna entlasten und ein Industrieareal errichten. Nach chinesischem Vorbild soll dort eine Sonderwirtschaftszone entstehen, in der auch steuerliche Vorteile gewährt werden.

Kuba Sonderwirtschaftszone Mariel (Foto: picture-alliance/dpa)
Spielfeld: die Sonderwirtschaftszone MarielBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Nach Informationen der Neuen Züricher Zeitung haben bisher acht ausländische Firmen einen Zuschlag erhalten. Deutsche Firmen sucht man darunter vergeblich. Elias Amor hat im spanischen Exil bisher nichts Gutes über das Projekt gehört. "Meines Wissens liegen die Arbeiten still - das Baumaterial wird geklaut und für andere Dinge benutzt."

In Anspielung auf seinen Gesundheitszustand sagte Fidel Castro vor nunmehr 10 Jahren: "Ich sterbe fast jeden Tag. Das macht mir viel Spaß und ich fühle mich dadurch nur gesünder." Ein ähnliches Durchhaltemotto gilt wohl auch nach wie vor für ausländische Investoren auf der Karibikinsel.