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Schlaflos in Reykjavik?

Alexander Kudascheff15. Mai 2002

Das militärische Brüssel hat das Hauptquartier verlassen. Es ist nach Reykjavik gezogen. Es ist Frühjahrstagung - und da ist man auch unter den Außenministern und unter den Militärs gerne im Land der Mitternachtssonne.

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Schlaflos in Reykjavik - so könnte die Inszenierung heißen. Aber die NATO ist nicht schlaflos. Ganz im Gegenteil: Sie ist hellwach, seit sie den 11. September als Weckruf begriffen hat. Das heißt: Plötzlich ist nicht mehr die kollektive Landesverteidigung gegen einen klassischen
Angreifer gefragt, sondern eine ganz neue
operationelle Einsatzfähigkeit.

Und neben dem Militärischen kommt es auf die Politik an, auf die große, neue Koalition gegen den Terror. Und so wird die NATO plötzlich eine neue Allianz - und größer. Erweitert wurde sie ja bereits um drei Mitglieder (Ungarn, Polen, Tschechien).

Bis zu sieben sollen im November dazu kommen (Estland, Litauen, Lettland, Slowenien, Slowakei, Rumänien und Bulgarien) beim nächsten NATO-Gipfel in Prag. Doch dazwischen hat sich ganz klammheimlich ein zwanzigster Kandidat gechoben: das Russland Putins.

Russland ist zwar nicht Vollmitglied, aber fast Vollmitglied. Es ist gleichberechtigt - in vielen Punkten. Die strategische Westorientierung Putins entspricht der strategischen Erweiterung der NATO. Sie passen kongruent zusammen. Und für Washington ist klar: Die gute alte NATO ist passé, jetzt gibt es die neue NATO mit neuen Aufgaben und mit Russland am Tisch.

Daran muss man sich erst gewöhnen, daran müssen sich übrigens auch erst die Militärs auf beiden Seiten gewöhnen. Aber der revolutionäre Prozess hat jetzt begonnen - und zwar in Reykjavik. Und das ist nicht ganz erstaunlich.

Island ist zwar mit Abstand das kleinste NATO-Land, aber hier haben 1986 Ronald Reagan und Michail Gorbatschow den Anfang vom Ende des kalten Kriegs eingeleitet. Also ist der Start in eine neue Epoche hier nicht ohne politische Logik.