Schlafforschung - Power-Napping für Ballerinas
14. Oktober 2009Sebnem Gülseker hat ihren Traumjob: Tänzerin am Staatsballett Berlin. Vor den Proben und Auftritten wärmt sie ihre Muskulatur auf, um Verletzungen zu vermeiden. Und während des Tanzens heißt es: Konzentration. Die fällt ihr schwer, sagt sie, wenn sie nicht ausgeschlafen ist:
"Meistens sind unsere Vorstellungen erst um 23 Uhr zu Ende. Bis wir geduscht haben und zuhause sind, wird es sehr spät, und morgens früh heißt es dann wieder: aufstehen und ab zum Training." Die zwingende Folge, so haben Forscher der Charité herausgefunden, ist chronischer Schlafmangel. Vor allem vor der Premiere, da schlafen die Tänzer und Tänzerinnen besonders schlecht.
Tänzer sind Hochleistungssportler
Auch Sebnem hat an der Studie teilgenommen. Wochenlang trug sie ein unscheinbares Messgerät am Arm. Es zeichnete alle Bewegungen auf, bei Tag und bei Nacht. Zusätzlich führte sie ein Schlaftagebuch, mit Angaben, wie lange sie am Tag und in der Nacht schlief, drei Monate lang.
Ingo Fietze, Oberarzt und Schlafforscher an der Charité, hat die Daten ausgewertet. Das Ergebnis: Die 28 untersuchten Tänzer und Tänzerinnen, alle im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, schlafen zu wenig: "Die Schlafdauer ist geringer als bei der vergleichbaren Population in diesem Alter, nämlich weniger als sieben Stunden. Und das ist zu wenig für die Hochleistungssportler.“
High-Tech-Bett aus dem Labor
Damit die Tänzer ihr Schlafdefizit ausgleichen können, ließ sich der Forscher etwas einfallen. Zusammen mit dem Staatsballett richtete er einen besonderen Ruheraum ein, in dem alles umgesetzt wurde, was die Wissenschaft über guten Schlaf weiß. Zum Beispiel ein Bett, dessen Matratze mit warmer und kalter Luft klimatisiert werden kann. Fietze: "Eine Matratze, die es sonst nur im Forschungslabor gibt.“
Neben zwei Räumen mit Schlafmöglichkeit gibt es auch noch eine Kabine zum Entspannen. Eine neuartige Liege verwöhnt mit Musik, schönen Gerüchen, speziellem Licht und einer sanften Massage, zum Ausgleich für den anstrengenden Tänzeralltag. "Es tut sehr gut", so Tänzerin Sebnem, "wenn wir ab und zu mal in den Ruheraum gehen können und zum Beispiel meditieren oder auch eine halbe Stunde schlafen.“
Power-Napping in Deutschland noch wenig verbreitet
Favorit bei den Tänzern ist aber der medizinische Massagesessel - beinahe so gut wie ein Physiotherapeut, sagen sie. Der gesamte Ruheraum ist transportabel, kann also problemlos von einem Ort zum anderen versetzt werden.
Auch Schlafforscher Fietze zeigt sich zufrieden: Der Raum wird gut genutzt, vor allem zur Erholung und zum Entspannen, aber weniger für ein Schläfchen. "Die Power-Nap-Kultur in Deutschland ist noch nicht so verbreitet. Solche Ruheräume werden helfen, das zu fördern." In einer weiteren Studie will er den gefühlten positiven Effekt des Ruheraums jetzt wissenschaftlich beweisen.
Autor: Andreas Neuhaus
Redaktion: Klaus Dartmann
Den Videobeitrag sehen Sie bei Projekt Zukunft, dem Wissenschaftmagazin auf DW-TV.
Die weiteren Themen: s.u.
Hilfe für Ersthelfer - Was tun, wenn das Herz stillsteht?
Spannend wie im Krimi - der Gerichtsmediziner Michael Tsokos erzähltDie Medizin von morgen - ein Interview mit Prof. Karl Max Einhäupl, Vorstandschef der Charité