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Scheitert Kureia wie Abbas an Arafat?

Peter Philipp10. Oktober 2003

Der erst am Dienstag (7.10.) vereidigte palästinensische Regierungschef Kureia hat seinen Rücktritt angeboten. Präsident Arafat ist auf das Gesuch nicht eingegangen. Ist die Regierungskrise damit beendet?

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Bei der Beobachtung nahöstlicher Entwicklungen kommt einem nicht selten ein "Déjà-vu"-Gefühl. So auch jetzt, wenn der gerade eben ernannte Palästinenser-Premier Ahmed Kureia von Rücktritt spricht, noch bevor er sein achtköpfiges "Notstandskabinett" vom Parlament hat absegnen lassen können. Der Grund – zumindest einer der Gründe – hierfür hatte auch schon den Vorgänger Mahmud Abbas zu Fall gebracht: Der Regierung waren nicht ausreichende Sicherheitskompetenzen zugestanden worden.

Hinter diesem Problem steht – wie schon bei Abbas – der 74-jährige Präsident der palästinensischen Autonomie, Jassir Arafat. Er will sich die Macht nicht aus der Hand nehmen lassen, obwohl er doch im Frühjahr bereits internationalem Druck nachgegeben und der Berufung eines Ministerpräsidenten zugestimmt hatte. Den er dann freilich am Gängelband zu führen versuchte – unter anderem, indem er, Arafat, die Kontrolle über die meisten Sicherheitsdienste behalten wollte.

Was Abbas in eine gewisse Verzweiflung trieb, hat auch bei Kureia seine Wirkung: Kein Regierungschef kann wirklich wirkungsvoll regieren, wenn er nicht die volle Kontrolle hat. Das gilt für Staaten, erst recht aber muss es für ein Konstrukt wie die Autonomiegebiete gelten, die teilweise besetztes Gebiet, teilweise halbautonom sind, auf jeden Fall aber kein souveräner Staat.

Dies allein war es aber nicht, was Kureia dazu trieb, Arafat auf einem Zettel mitzuteilen, er sei bereit sein Amt zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer wichtiger Grund für den Eklat im palästinensischen Parlament ist die wachsende Verstimmung unter den Abgeordneten über den selbstherrlichen Führungsstil Arafats. Ein ermutigendes Zeichen, denn es zeugt von wachsendem demokratischen Selbstbewusstsein unter den Parlamentariern. In der Vergangenheit hatten sie bereits wiederholt die Korruption um Arafat angeprangert und Veränderungen waren nur sehr mühsam zu erreichen. Jetzt kritisiert man, dass der Präsident nach dem schweren Selbstmordanschlag in Haifa am Samstag (4.10.2003) kurzerhand den Notstand ausrief und eine Notstandsregierung einsetzte.

Notstand herrscht in den Palästinensergebieten nicht erst seit dem Wochenende, deswegen wird Arafats Schritt als Versuch gewertet, den eigenen Kopf zu retten: Israel hatte ihm Deportation oder gar Ermordung angedroht, wenn die Gewalt weiter eskaliere. Und bei aller Verehrung, die man Arafat gegenüber zeigt: Man ist unter den Parlamentariern nicht bereit, widerstandslos zu den Tagen zurückzukehren, als die palästinensische Verwaltung ein Ein-Mann-Betrieb Arafats war. Ein offiziell verhängter Notstand aber könnte genau in diese Richtung führen, besonders wenn die Kompetenzen nicht ebenso abgesteckt werden wie die Art und Weise, dann wieder zur "Normalität" überzugehen.

Und dann ist da noch der Gesundheitszustand Arafats: Der kolportierte Herzanfall ist zwar dementiert worden, aber nun heißt es, er leide an Magenbeschwerden. Angesichts der Probleme, mit denen er tagtäglich konfrontiert ist, sicher kein Wunder. Aber es soll Magenkrebs sein und dies zusammen mit lange bekannten anderen Leiden erschwert nicht nur Arafat die Amtsausübung, sondern anderen auch den Umgang mit ihm.

Die innerpalästinensische Krise – auch dies haben wir schon gesehen – dürfte nicht von Dauer sein, denn man wird sich besinnen, dass das Hauptproblem Israel bleibt. Man sollte in Ramallah und Gaza aber auch einzusehen beginnen, dass man sich solche Krisen auf Dauer nicht leisten kann, wenn man nicht jede Hoffnung aufgeben will, doch noch Ruhe und Frieden zu bekommen. Und eines Tages auch den eigenen Staat.