Schatzkammer für Samen
Auf Spitzbergen nahe dem Nordpol lagert Saatgut von Nutzpflanzen aus der ganzen Welt. Falls Kriege, Katastrophen oder der Klimawandel unsere Kulturpflanzen vernichten, dient der Svalbard Global Seed Vault als Back-up.
Karge Eislandschaft
Spitzbergen gehört zu Norwegen; die Inselgruppe ist etwa so groß wie Belgien und die Schweiz zusammen. Wohin man schaut: kleine Berge mit abgeflachten Kuppen. Bäume? Fehlanzeige! Dafür ist die Luft glasklar, der Himmel strahlend blau. Eine atemberaubende Landschaft. Im Sommer ist es 24 Stunden lang hell, im Winter immer dunkel, dann sinkt die Temperatur auf 25 Grad Celsius unter Null.
Internationale Arktisforschung
Seit einigen Jahren hat sich die Region zu einer Drehscheibe für die internationale Arktisforschung entwickelt. Meeresbiologen, Meteorologen, Geologen, Geophysiker und Eisforscher nutzen Spitzbergen für ihre wissenschaftlichen Aktivitäten.
Klimawandel angekommen
Auf Spitzbergen gibt es etwa 350 Gletscher. Der Klimawandel ist auch hier angekommen: Die Gletscher gehen zurück, noch in diesem Jahrhundert könnte der gesamte arktische Raum im Sommer eisfrei sein. Die Zahl sogenannter gebietsferner Fisch- und Vogelarten ist gestiegen. So sind zum Beispiel Makrelen aus wärmeren Gewässerzonen bis an den Küsten Spitzbergens gewandert.
Strukturgewandeltes Dorf
Die Hauptstadt Spitzbergens: Knapp 2.500 Menschen leben in Longyearbyen mit seinen bunten Holzhäusern am Adventdalen, einem Seitental des Isfjord. Einst waren Longyearbyen und Spitzbergen für ihre Kohle bekannt. 1906 begann der industrielle Abbau - heute ist davon bis auf wenige Zechen nicht mehr viel übriggeblieben.
Abgelegener Außenposten
Geblieben ist der logistische Aufwand: Jede Glühbirne, jeder Apfel, jedes Stück Stahl muss eingeflogen oder mit dem Schiff vom 950 Kilometer entfernten norwegischen Festland herangeschafft werden.
Verborgener Eingang
Knapp einen Kilometer von Longyearbyen entfernt liegt die Schatzkammer: Von außen ist nur der betonierte, schmale Eingang sichtbar, der aus dem schneebedeckten Berg zu wachsen scheint.
Bergbunker
Hinter dem Eingang führt ein röhrenartiger 120 Meter langer, sanft nach unten abfallender betonierter Tunnel tief in den Berg. An der Decke hängt das silbrig schimmernde Leitungssystem, unter anderem für die Kühlanlage. Die Temperatur beträgt hier konstant Minus sieben Grad Celsius - Sommer wie Winter.
Zum Seed Vault
Am Ende des Tunnels steht die Tür zum Tresorraum. Die arktische Kälte Spitzbergens soll die Samen als natürlicher Schild schützen. Dahinter steckt die Angst, dass derzeit niemand abschätzen kann, welche Folgen die abnehmende Artenvielfalt für die Menschheit haben kann.
Unantastbarer Tresor
Spitzbergen ist aus mehreren Gründen ein idealer Standort, um Samen zu lagern: Norwegen führt keine Kriege. Außerdem ist die Region gemäß des "Spitzbergenvertrags" von 1920 eine entmilitarisierte Zone. Das Gebiet ist geomorphologisch stabil. Zudem befindet sich der Saatguttresor 130 Meter über dem Meeresspiegel - selbst Überschwemmungen könnten ihm nichts anhaben.
Lieferungen aus allen Ecken
Durchschnittlich dreimal im Jahr herrscht geschäftiges Treiben. Dann werden die Samen angeliefert und verschwinden im Stollen. Die Lagerräume verfügen über eine Gesamtkapazität für 4,5 Millionen Arten von Kulturpflanzen. Jede Art ist im Durchschnitt mit 500 Samen vertreten. Folglich ist in den drei Tresorräumen Platz für über 2,25 Milliarden Samen. Derzeit wird aber nur der mittlere Raum genutzt.
Schutz im Einsatz
Kürzlich sind wegen des Bürgerkriegs in Syrien eingelagerte Samen zurückgefordert worden - das erste Mal in der Geschichte des Saatguttresors. Adressat war das Internationale Zentrum für Agrarforschung in trockenen Regionen: Es forderte vor allem trockenheitsresistente Getreidesorten des Nahen Ostens zurück. Mittlerweile hat sich das Hauptquartier der Organisation nach Beirut verlegt.
Samen der Zukunft?
Das Saatgut aus Deutschland lagert unter anderem in silbrigen, luftdicht versiegelten Aluminiumverpackungen. Derzeit verwahrt Spitzbergen 865.000 Samenproben von 5.103 Pflanzenarten aus der ganzen Welt, von Afghanistan bis zur Zentralafrikanischen Republik. Der offizielle Katalog weist Proben aus 217 Ländern aus.