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Scharon kann sich als Sieger fühlen

Peter Philipp30. Juli 2003

Der israelische Premier Ariel Scharon blieb bei seiner USA-Visite von starker Kritik verschont - und kann sich im Vergleich zum palästinensischen Premier Mahmoud Abbas als Sieger fühlen. Peter Philipp kommentiert.

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Viel blieb nicht übrig von der kolportierten Kritik an der Politik des israelischen Ministerpräsidenten. Statt dessen beglückwünschte George W. Bush seinen "Freund Ariel" für die Treue, in der dieser zu ihm halte. Und nach dem achten Besuch Scharons im Weißen Haus scheinen die Dinge wieder in bester Ordnung - zumindest für den israelischen Premier. Hatte Scharon befürchten müssen, dass Washington nach dem Irak-Krieg wesentlich stärkeren Druck auf Israel ausüben würde, so scheint sich dies nicht zu bestätigen. Zwar bemühen die USA sich um ein besseres Verhältnis zur arabischen Welt und müssen dabei den Eindruck verwischen, vorbehaltlose Fürsprecher Israels zu sein. In der Sache aber scheint sich kaum etwas geändert zu haben.

Die Besuche des palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmoud Abbas und - vier Tage später - Ariel Scharons in Washington haben dies mehr als deutlich gezeigt. Beide Besuche sollten eine Art Zwischenbilanz der neuen Friedensbemühungen ziehen, die seit Anfang Juni wieder stattfinden. Bush hatte Israelis und Palästinenser seinerzeit darauf eingeschworen, der "road-map" zuzustimmen und zu folgen, jenem eher vagen Friedenskonzept, das die USA in Zusammenarbeit mit EU, UN und Russland ausgearbeitet haben.

Dass dieser Weg einige Fortschritte erbracht hat, ist unbestritten. Aber ebenso unbestritten ist auch, dass vieles davon bestenfalls symbolischen Wert hat. So hat Israel zwar einige "illegale" Siedlungsposten abtransportiert, gleichzeitig aber weiter an anderen Siedlungen gebaut. Israel hat sich auch nach langem innenpolitischem Streit bereit erklärt, 540 palästinensische Häftlinge freizulassen. Aber kurz zuvor waren erst einmal weitere Palästinenser festgenommen worden, und insgesamt beträgt die Zahl der Häftlinge fast 8000.

Zudem hat die israelische Regierung gerade eine Dreiviertel Milliarde Schekel (circa 150 Millionen US-Dollar) genehmigt, um den gigantischen Sicherheitszaun weiter zu bauen, der künftig Israel von den palästinensischen Gebieten trennen soll. Ein Bauwerk, das auf enteignetem palästinensischem Boden steht und sicher mehr neue Probleme schafft als Sicherheit. Auch die medienwirksam inszenierte Aufhebung einiger Straßensperren ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Und - wie die meisten anderen Maßnahmen - von heute auf morgen revidierbar.

Die Palästinenser-Führung hat ihrerseits eine Waffenruhe ("hudna") mit den radikalen anti-israelischen Gruppen ausgehandelt und Maßnahmen ergriffen zur Reduzierung von Hetze, Hass und Spannungen. Sie trifft sich wieder mit Vertretern der israelischen Regierung, um Sicherheit und andere Fragen zu erörtern. Aber Premier Abbas weiß nur zu gut, dass er Erfolge aufweisen muss, um die zahlreichen Zweifler im eigenen Lager zu überzeugen. Nicht die Radikalen - die sich ohnehin fanatisch jeder Friedensregelung widersetzen. Erreicht werden muss die Masse der Palästinenser, die nach fast drei Jahren Intifada nichts sehnlicher wünschen als ein Ende der Gewalt und ein Leben in Freiheit und Würde. Wenn auch nicht um jeden Preis.

George W. Bush hat zwar einen weiten Weg zurückgelegt von der ursprünglich angekündigten Abstinenz bis zu seinem jetzigen Engagement in Nahost. Aber es bedarf wohl schon etwas mehr Durchsetzungswillens und auch -vermögens, um die Dinge voranzutreiben. Und genau diese Eigenschaften lässt Bush vermissen.

Das Kalkül Scharons geht auf: Mit symbolischen Minischritten und der Beschwörung des gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus hat er auch diesmal wieder Bush auf seine Seite gezogen. Offene Kritik war nicht zu hören und Scharon kann - wieder einmal - als Sieger nach Hause zurückkehren. Bei den Palästinensern hingegen wird ein schaler Nachgeschmack bleiben. Dies umso mehr, nachdem US-Außenminister Colin Powell "ganz nebenbei" in einem Interview meinte, der Terminplan der "road map" für die Gründung eines Palästinenserstaates bis 2005 sei wohl kaum einzuhalten.