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Scharon hat sich verrechnet

Peter Philipp3. Mai 2004

Mit rund 60 Prozent der Stimmen hat die Partei des israelischen Regierungschefs Ariel Scharon dessen Pläne zum Abzug aus dem Gaza-Streifen abgelehnt. Aber hat dieses "Nein" überhaupt eine Bedeutung?

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Likud stimmt gegen Scharons PläneBild: AP

Israels Regierungschef Ariel Scharon hatte ohne erkennbare Not zur Abstimmung in den Reihen seiner "Likud"-Partei aufgerufen. Und er hatte sich offenbar vorgemacht, dass ein "Ja" ihm nicht nur für den geplanten Rückzug aus Gaza den Rücken stärken, sondern überhaupt seine Stellung als Regierungschef festigen würde. Die Rechnung ging nicht auf: Knapp 60 Prozent stimmten gegen den Scharon-Plan. Und damit im Grunde auch gegen den Regierungschef, der sich in den Augen dieser konservativen Anhänger der Siedlungs-Bewegung zu weit vorgewagt hatte auf das unsichere Terrain einer Nahost-Regelung.

Nur ein Prozent der Gesamtbevölkerung

Likud Partei Logo
Logo der Likud Partei

Überbewerten sollte man dieses Ergebnis freilich nicht. Nicht nur, weil eine Abstimmung im "Likud" nicht vergleichbar ist mit einem Referendum im ganzen Volk. Sondern auch, weil die niedrige Wahlbeteiligung von 40 Prozent bedeutet, dass sich gerade eben ein Viertel des Likud gegen den Plan ausgesprochen hat - umgerechnet etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine so geringe Opposition sollte den Gaza-Plan nicht zu Fall bringen. Scharon kann - und soll - ihn im Parlament zur Abstimmung bringen. Und dort dürfte das Ergebnis anders aussehen als im "Likud": Wie auch eine breite Mehrheit der Bevölkerung für einen Rückzug aus dem Gazastreifen eintritt.

Scharon hat bereits wissen lassen, dass er weder zurücktreten noch den Gaza-Plan ändern werde. Natürlich könnte er eine Weile auch gegen den Willen der eigenen Partei regieren, auf Dauer wird er Neuwahlen aber kaum umgehen können. Der alte Taktiker hat sich diesmal vielleicht doch verkalkuliert: Die Idee eines einseitigen Rückzuges aus dem Gazastreifen spricht vielen Israelis zwar aus dem Herzen, weil sie nicht einsehen wollen, warum man weiterhin Zehntausende von Soldaten gefährden soll, nur um 7.500 Siedlern den Verbleib im Gazastreifen zu ermöglichen. Aber im "Likud" wird der einseitige Rückzug aus verschiedenen Gründen als gefährliches Manöver betrachtet: Wenn Israel Gaza ohne palästinensische Gegenleistung verlässt, dann wird dies als Niederlage und Kapitulation gegenüber den Radikalen von "Hamas" und "Islamischem Dschihad" empfunden. Und jeder Rückzug sei obendrein ein Präzedenzfall für künftige Gelegenheiten.

Alle Siedlungen sind völkerrechtswidrig

Scharon spricht zwar davon, im Gegenzug wolle er Israels Präsenz in der Westbank zementieren. Und er hat sich sogar die grundsätzliche Zustimmung von US-Präsident George W. Bush dafür eingeholt. Aber im "Likud" weiß man natürlich nur zu gut, dass dies nichts mit dem Abzug aus Gaza zu tun hat. Und man ist damit realistischer als viele Beobachter, selbst als viele Palästinenser, die den Gaza-Plan ablehnten, weil er mit Siedlungsplänen in der Westbank verbunden sei. Der "Likud" sieht genau das Gegenteil: Gaza kann und wird nicht mit der Westbank verknüpft werden können.

Die israelischen Siedlungen in der Westbank sind völkerrechtlich unzulässig und sie werden eines Tages verschwinden müssen - es sei denn, Israel einigt sich mit den Palästinensern über einen modus vivendi. Solange dies nicht geschieht, sollte man jeden Schritt begrüßen, der wenigstens einen Teil der Siedlungen auflöst. Auch wenn dies "nur" im Gaza-Streifen geschieht. Denn Siedlungen dort sind kein bisschen besser oder legaler als in der Westbank. So - und nur so - gesehen kann man Ariel Scharon ausnahmsweise einmal wünschen, dass er sich das Abstimmungs-Ergebnis tatsächlich nicht zu Herzen nimmt.