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Scharon befürchtet Bürgerkrieg

Bettina Marx13. September 2004

Angesichts wachsender Widerstände gegen einen Abzug aus dem Gaza-Streifen warnt der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon vor einem möglichen Bürgerkrieg.

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Die Siedler drohen mit GewaltBild: AP

Ariel Scharon war aufgebracht. Zornig schlug er in der morgendlichen Kabinettssitzung mit der Faust auf den Tisch. Die Hetzkampagne gegen die israelische Armee müsse aufhören, sagte er wütend. Er erwarte, dass sich alle Minister seiner Regierung hinter die Sicherheitskräfte stellten.

Der Zorn des Ministerpräsidenten richtete sich nicht etwa gegen die Palästinenser, gegen die Friedensbewegung oder gegen einer der ungeliebten internationalen Organisationen wie die Vereinten Nationen. Er richtete sich gegen die Führer der Siedlerbewegung in Israel.

Gegenwehr

Sie hätten mit Gewalt gedroht, sollten die israelischen Sicherheitskräfte die Anweisung erhalten, die Siedlungen im Gaza-Streifen zu räumen. Wenn das Grab seiner Tochter angerührt werde, dann werde er zur Waffe greifen, hatte einer der radikalen Siedlervertreter in der letzten Woche angekündigt. Scharon rief seine Minister dazu auf, solchen Drohungen Einhalt zu gebieten.

Zudem wandte sich der Premier an den Polizeiminister und an den Verteidigungsminister sowie an jeden der Versammelten, denn es würden nicht genügend Stimmen aus der Regierung laut zu diesem Thema. Scharon rief alle auf, die notwendigen Schritte zu ergreifen und sich einzumischen. Die Armee müsse aus diesem schmutzigen Spiel herausgehalten werden. Er erwarte von den Ministern seiner Regierung, dass sie sich darum kümmerten.

Drohanrufe

In den letzten Wochen mussten bereits mehrere hohe Offiziere, die in den Siedlungen leben, ihre Wohnungen verlassen, nachdem sie Drohanrufe und anonyme Schreiben erhalten hatten. Gleichzeitig riefen Siedlerführer die Sicherheitskräfte dazu auf, den Befehl zu verweigern, sollten die Siedlungen evakuiert werden.

Der Knesset-Abgeordnete Jossi Sarid von der oppositionellen linken Meretz-Partei verurteilte diese Aufrufe scharf. Er meinte, man müsse genau aufpassen, welche Begriffe verwendet würden. Es ginge hier nicht um einen Bruderkrieg, sondern um einen Bürgerkrieg. Wer Polizisten und Soldaten bedrohe, der sei kein Bruder. Und es müsse klar sein, wer mit Bürgerkrieg drohe, der bringe die Zerstörung des Staates näher. Ein Bürgerkrieg würde das Ende des Staates bedeuten.

Ariel Scharon
Israels Ministerpräsident Ariel SharonBild: AP

Sarid sprach sich auch gegen einen Volksentscheid in der Frage des Rückzugs aus dem Gaza-Streifen aus. Politiker der national-religiösen Partei, dem Sprachrohr der Siedler im Parlament, hatten ein solches Referendum gefordert.

Auch aus der Umgebung des Ministerpräsidenten verlautete, dass darüber nachgedacht werde. Scharon hofft, sich damit die Rückdeckung der Bevölkerung zu sichern, die nach Meinungsumfragen mehrheitlich für die Räumung des Gaza-Streifens ist.

"Hetzkampagne"

Der Rechtsexperte Mosche Nekbi dagegen warnt davor, den vorgesehenen Weg der Gesetzgebung zu verlassen. Seiner Ansicht nach würde jeder, der in dieser zerbrechlichen Situation nach einem Volksentscheid verlange, Öl ins Feuer der Hetzkampagne schütten. Wer für ein Referendum plädiere, sage damit, dass die Regierung und das Parlament nicht das Recht hätten, in dieser Frage zu entscheiden. Und dies sei eine undemokratische Auffassung.

Nekbi erinnerte auch an die aufgeheizte Stimmung, die nach der Unterzeichnung der Oslo-Verträge vor neun Jahren zum Mord an dem damaligen Ministerpräsidenten Jizhak Rabin geführt hatte. Auch damals hatten die Ultranationalisten unter den Siedlern zum aktiven Widerstand gegen die Regierung aufgerufen und Demonstrationen organisiert, bei denen offen gegen Rabin gehetzt wurde.