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Heilung der Wunden

Nick Amies (sams)27. April 2007

Noch immer schmerzt Schalke die Vier-Minuten-Meisterschaft von 2001. Diesmal soll es nun wirklich wahr werden - trotz des engen Rennens an der Spitze.

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Meister der Pappen
Meister der Pappen
Kapitän Marcelo Bordon bejubelt das 2:0 gegen Cottbus am letzten Spieltag. Quelle: AP
Kapitän Marcelo Bordon bejubelt das 2:0 gegen Cottbus am letzten SpieltagBild: AP

"Es ist eine Wunde, die nie ganz heilt", sagt Ingo Meier und starrt sinnierend in sein drittes Bier. "Eine königsblaue Erinnerung an den Schmerz dieses Tages." Dieser eine Tag, dieser 19. Mai 2001. Meier war an diesem Tag dabei, als Zehntausende ekstatisch feierten, was sie für die erste Schalker Meisterschaft seit 1958 hielten. 5:3 hatte Königsblau Unterhaching aus dem Parkstadion gefegt und die Bayern zeitgleich anscheinend beim HSV verloren. Daran glaubten Zehntausende - genau vier Minuten lang, bevor sich die Nachricht herumsprach, dass die Bayern doch noch getroffen hatten, in der Nachspielzeit. Die Meisterschaft war den Schalkern wieder entrissen.

Nichts in Farbe

In der Kneipe "Auf Schalke" hängen die Wände voller alter Fotos. Ausgeblichene Bilder von vergangenen Triumphen, als noch schwarz-weiß fotografiert wurde - und nur wenige Farbaufnahmen von jubelnden aktuellen Spielern. Olaf Thon ist da nach dem Gewinn des UEFA-Cups 1997 zu sehen und mit den gewonnenen DFB-Pokalen 2001 und 2002. Eine Meisterschaft in Farbe fehlt.

So nah wie 2001 war Schalke der Meisterschale in den letzten 49 Jahren nie: Vier Minuten und einen Punkt. 2005 war man auch Zweiter, aber 14 Punkte hinter den Bayern. Dieses Jahr soll alles anders werden. Schalke führt die Tabelle an, mit zwei Punkten bei vier noch ausstehenden Spielen. Bei königsblauen Realisten sorgt das für schlaflose Nächte. "Das ist wie in der Formel 1", sagt Ulli Nöther, ein Fan, der sich im Fanshop gerade einen Schalke-Strampelanzug gekauft hat. "Die Teams unter uns hatten alle schon ihre Boxenstopps. Wir haben zwar auch schon ein paar Spiele unnötig verloren, aber noch keinen richtigen Einbruch. Ich befürchte, dass wir auch noch mal an die Box müssen." Wolf Ströhmann, ein stolzer Schalke "Ultra", sieht das anders: "Seit wir erster oder Zweiter sind, haben wir höchstens mal zwei Spiele nacheinander schlecht gespielt. Wir sind stark dieses Jahr. Selbst wenn die anderen jetzt alles gewinnen, werden wir Meister - weil wir kein Spiel mehr verlieren."

Dompteur der Nerven? Trainer Slomka. Quelle: AP
Dompteur der Nerven? Trainer SlomkaBild: DW-TV

Seit dem 13. Spieltag steht Schalke nun schon vorne, nur im Winter rutschte man für vier Wochen auf den zweiten Rang. Jetzt sind sie schon wieder zehn Wochen Tabellenführer. Hat das aktuelle Team also die Nerven, den Zwei-Punkte-Vorsprung auf Bremen zu halten? "Diesmal schaut das Team nicht zurück, sondern nach vorn zum Titel", sagt Ingo Meier. "Unter Slomka fürchten wir niemanden und haben gezeigt, dass wir alle schlagen können. Warum also schauen, was hinter uns passiert?"

"Nicht wie Rummenigge"

Wolf Ströhmann glaubt, dass der im Januar 2006 vom Co- zum Chef-Trainer gemachte Mirko Slomka in diesem Jahr den Unterschied macht. "Er schreit nicht rum und legt sich mit niemanden an wie die Herren Rummenigge oder Hoeneß. Er konzentriert sich auf die Mannschaft und lässt sich nicht auf Psycho-Spielchen ein, die uns 2001 die Meisterschaft gekostet haben."

In der Tat sind Psycho-Attacken aus München nicht mehr zu befürchten. In München ist man momentan ohnehin eher kleinlaut. Bei neun Punkten Rückstand und erbärmlicher Form fürchtet sich niemand mehr vor dem bösen Rekordmeister.

"Ach, Druck"

Und ob die Verfolger aus Bremen und Stuttgart einen ähnlichen Psychoterror ausüben können? "Ach, Druck", sagt Ströhmann, "Druck hat man immer, egal ob Erster oder Letzter." Vielleicht ist es dieser königsblaue Relativismus, der nach den hunderten Meisterschalen aus Pappe die einzig wahre aus Metall nach einen halben Jahrhundert nach Schalke kommen lässt - und die königsblauen Wunden von 2001 endlich heilen lässt.