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Politik

Schafft die SPD die Trendwende?

24. Juni 2017

Im März wählte die SPD Martin Schulz euphorisch zu ihrer neuen Nummer eins. Es folgten: Höhenflug und Absturz. Katerstimmung kann sich die Partei aber nicht leisten. Am Sonntag soll das Wahlprogramm beschlossen werden.

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Berlin Martin Schulz SPD-Konferenz "Mehr Zeit für Gerechtigkeit"
Bild: picture-alliance/dpa/K.Nietfeld

Zwei SPD-Parteitage, zwei Welten: Nur drei Monate liegen zwischen der Wahl des neuen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz in Berlin am 19. März und der bevorstehenden Abstimmung über das SPD-Wahlprogramm in Dortmund am kommenden Sonntag. Drei Monate, die aber ausreichten, um die Sozialdemokraten auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle zu schicken. Himmelhochjauchzend  – das beschreibt die Stimmung im März in Berlin wohl ganz gut. Ausnahmslos alle Delegierten stimmten für den Neuen an der Spitze - 100 Prozent! Das hatte es in der langen Geschichte der SPD noch nie gegeben. 

Schulz, der Heilsbringer. Als "Gottvater" der SPD wurde er tituliert. Seit seiner Nominierung war die SPD in den Umfragewerten von 20 auf weit über 30 Prozent der Wählerstimmen geschossen und hatte kurzzeitig sogar CDU/CSU überholt. Was für ein Triumph. Doch statt mit solchem Rückenwind die im März und Mai folgenden drei Landtagswahlen mit Bravour zu gewinnen, kassierte die SPD eine Niederlage nach der anderen. Auch bundesweit fielen die Umfragewerte. Inzwischen ist die Partei fast wieder da angelangt, wo sie unter Parteichef Sigmar Gabriel stand.

Infografik Sonntagsfrage im Verlauf
Kurzer Höhenflug, seitdem geht es abwärts

Keine Zeit für Grundsatzdebatten

Was läuft schief in der SPD? Die Beantwortung dieser Frage muss warten. Drei Monate vor der Bundestagswahl kann es sich die Partei nicht leisten, Ursachenforschung zu betreiben. Stattdessen ist Schadensbegrenzung angesagt und die soll über politische Inhalte erfolgen. Seit Wochen wird mit viel Akribie am "Regierungsprogramm" gefeilt. "Wir haben uns viele Gedanken über die Themen gemacht", betont Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. "Einen inhaltsleeren Wahlkampf wird es mit der SPD nicht geben." Rund 1000 Seiten umfasst das Antragsbuch, das den Titel "Zeit für mehr Gerechtigkeit" trägt. Am Sonntag soll das Programm von rund 600 Delegierten auf einem außerordentlichen Parteitag in Dortmund abschließend besprochen und beschlossen werden.

Ein Parteitag, der die Ernüchterung in der SPD auch optisch aufgreifen soll. Keine aufwendige Bühnenshow – auch Konfetti und Luftballons wird es in der Dortmunder Westfalenhalle ganz sicher nicht regnen. Stattdessen soll der Parteitag parteiinterne Geschlossenheit und die Botschaft von einer hart arbeitenden Partei in die Republik aussenden.

Deutschland Martin Schulz zum neuen SPD-Chef gewählt
Am 19. März in Berlin hatten die Genossen noch gut lachenBild: Reuters/F. Bensch

Ein "Signal von Kampfesmut und Konzentration" erwartet Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die allerdings davon ausgeht, dass nicht alle Delegierten "Hosianna" zum Wahlprogramm rufen werden. Also ist auf dem Parteitag doch auch Streit zu erwarten?

Soziale Gerechtigkeit ganz oben

Sicherlich um einige Inhalte, beispielsweise das geplante Steuerkonzept. Nach dem Willen der Parteiführung um SPD-Chef Martin Schulz sieht es eine Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen vor, der Spitzensteuersatz soll steigen. Einkommen aus Arbeit und aus Kapital sollen wieder gleich besteuert, große Erbschaften stärker herangezogen werden. Die Einführung einer Vermögenssteuer soll aber nicht explizit ins Wahlprogramm aufgenommen werden. Eine Entscheidung, die der linke Flügel der SPD nicht richtig findet und die auch von der Jugendorganisation Jusos kritisiert wird.

Grundsätzlich will sich die SPD unter Martin Schulz wieder auf ihre Wurzeln besinnen und als Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen werden. Man müsse sich vor allem um jene kümmern, "die das Land am Laufen halten", aber sich trotz Vollzeitbeschäftigung immer weniger leisten könnten.

Gerade Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen hätten das Gefühl, dass sich niemand mehr um ihre Probleme kümmere, erklärt Schulz. "Das ist politisch eine große Gefahr, denn in die Gefühlslage, die über diese Empfindungen entsteht, stoßen Hetzer und Populisten, die für alles einen Sündenbock haben, aber für nichts eine Lösung."

Vom Alt-Kanzler lernen?

Die große Frage ist, ob es dem Parteichef und Kanzlerkandidaten in Dortmund gelingen wird, die emotional gerupften Delegierten so zu motivieren, dass sie trotz der schlechten Umfrageergebnisse mit frischem Kampfgeist in ihre Wahlkreise zurückkehren. Unterstützung soll Martin Schulz dabei von Alt-Kanzler Gerhard Schröder bekommen, der in Dortmund eine Motivations-Rede halten wird. Dem 73-Jährigen war es als letztem SPD-Politiker gelungen, 1998 die Union zu überrunden und ins Kanzleramt einzuziehen. 2005 wurde er zwar von Angela Merkel geschlagen, aber nur knapp. Dabei schaffte er es, nach aussichtslos erscheinenden Umfragen auf den letzten Metern noch massiv aufzuholen. Eine Trendwende, die die SPD auch diesmal gut gebrauchen könnte.