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Was geht da bei Schaeffler?

Benjamin Wüst24. Februar 2009

Ungewöhnliches tut sich bei der Schaeffler-Group: Nach dem Nein Merkels zu staatlichen Zuschüssen wirft sich der Autozulieferer nun an die eigentlich ungeliebte Gewerkschaft ran. Sinneswandel oder Kuh-Handel?

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Maria-Elisabeth Schaeffler sitzt mit rotem Schal auf der Pressekonferenz. Im Hintergrund ist IG Metall-Chef Berthold Huber zu sehen (FOTO: AP)
Gemeinsame Sache: Schaeffler (vorn) und Gewerkschaftschef HuberBild: AP

Eine Liebeshochzeit ist das nicht: Das Bündnis Schaeffler-Conti und die Gewerkschaft IG Metall. Diese Verbindung klingt mehr nach großer Not und viel Kalkül als nach Romanze. Weder Schaeffler noch Continental wollten bisher auch nur irgendetwas mit Gewerkschaften zu tun haben. Jetzt, wo sich der kleinere Autozulieferer Schaeffler am größeren Continental verschluckt hat und zu ersticken droht, scheint plötzlich jede Hilfe recht.

"Natürlich war das bei der Planung des Übernahmeangebots nicht vorgesehen, aber jetzt ist es unvermeidbar. Wir würden unserer unternehmerischen Verantwortung nicht gerecht werden, wenn wir uns dem verschließen würden", sagt die Milliardärin Maria-Elisabeth Schaeffler zur Verbrüderung mit der IG Metall. Dem Autozulieferer Schaeffler-Conti steht das Wasser bis zum Hals.

Wie konnte Schaeffler so ins Trudeln geraten?

Ein Crash-Test-Dummy der Firma Continental auf der IAA streckt den Arm nach oben (FOTO: AP)
Ein Conti-Crash-Test-Dummy - der Knall kam erst nach der ÜbernahmeBild: AP

Alles begann im Sommer des Jahres 2008. Die ehrgeizige Witwe Maria-Elisabeth und ihr Sohn Georg Schaeffler kaufen das Unternehmen Continental - natürlich auf Pump. Milliardenkredite mussten her, damals noch kein Problem. Erst wird der Coup gefeiert, dann kam der Schock: Conti vermeldet Gewinneinbrüche und eine düstere Prognose für das Jahr 2009.

Parallel zieht die Finanzkrise auf, die die Autobranche besonders hart trifft. Jetzt wird klar: Schaeffler hat sich verhoben, Continental zieht das Unternehmen zusätzlich in die roten Zahlen. Der Schuldenberg ist rund zehn Milliarden Euro hoch.

Anfang Februar dann kam der Hilferuf: Frau Schaeffler bittet den Staat um Unterstützung. Die Bundeskanzlerin lehnt ab: Sie wolle nicht die "Zeche für riskante Entscheidungen zahlen", sagt Merkel. Schaeffler-Conti droht die Insolvenz. Es fehlen fünf bis sechs Milliarden Euro - so hoch ist die Eigenkapitallücke. Es folgt der Griff zum Strohhalm: Die Verbrüderung mit der Gewerkschaft IG Metall.

Was ist das für ein Deal?

Gewerkschaft und Schaeffler-Conti einigen sich auf ein Eckdatenpapier. So sieht das Paket aus: Schaeffler-Conti verspricht seinen Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte. Wie bei einer Aktiengesellschaft soll ein Aufsichtsrat gegründet werden, der zu gleichen Teilen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besteht. Ein durchaus bemerkenswerter Schritt, denn in den letzten Jahrzehnten wehrte Schaeffler jegliche Mitbestimmung durch Arbeitnehmer ab.

Und jetzt gibt es sogar noch mehr im Angebot: Neben der betrieblichen Mitbestimmung sollen die Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, sich durch den Kauf von Anteilen direkt am Unternehmen zu beteiligen. So könnten die Arbeitnehmer später am Gewinn der Firma teilhaben, sagt Frau Schaeffler. Außerdem will sich die Schaeffler-Familie von einem Teil ihres Firmeneigentums trennen. Wie groß dieser Anteil ist, ist noch unklar, um so die Verschuldung des Unternehmens zu verringern.

Wozu das alles?

Drei Fahnen mit den verschiedenen Logos der zur Schaeffler-Group gehörenden Unternehmen flattern im Wind (FOTO: AP)
Einige der Logos, unter denen weltweit 220.000 Menschen für die Schaeffler-Group arbeitenBild: AP

Der Gewerkschaft geht es um Einfluss bei Schaeffler-Conti und natürlich um die Arbeitsplätze. 220.000 Stellen weltweit, allein 80.000 Jobs in Deutschland, stehen auf dem Spiel. "Die IG Metall und Schaeffler halten zur Überbrückung der aktuellen Krise ein Engagement der Länder und des Bundes für erforderlich, ob über Eigenkapitalhilfe, eine Liquiditätssicherung oder eine Bürgschaft", fordert IG Metall-Chef Berthold Huber.

Der Staat soll also her. Denn selbst wenn viele Schaeffler-Conti-Mitarbeiter Firmenanteile kaufen würden, zur Sanierung reichten diese Mittel nicht. Das Bündnis zwischen Schaeffler-Conti und der Gewerkschaft ist also Mittel zum Zweck. Das Kalkül: Eine so arbeitnehmerfreundliche Firma wird die Bundesregierung schon nicht Pleite gehen lassen.

Die Vernunftehe mit der IG Metall ist also Werben um Staatshilfe. Das sagt die Chefin, Maria-Elisabeth Schaeffler, sogar selbst. "Wir glauben, dass die notwendigen politischen Entscheidungen leichter fallen, wenn Gesellschafter und Gewerkschaft an einem Strang zum Erhalt der Arbeitsplätze des Unternehmensverbundes Schaeffler-Conti ziehen."

Jetzt gilt es abzuwarten, wie die Bundesregierung reagiert. Bleibt sie bei ihrem Nein zu Staatshilfen für den Autozulieferer oder geht das Kalkül der Familie Schaeffler auf?