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Schüssel-Erlebnis

Michael Brückner10. September 2002

Die österreichische Koalitionskrise hat nun endgültig die Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zusammenbrechen lassen. Neuwahlen finden wahrscheinlich schon im November statt.

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Gescheitert: Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP)Bild: AP

Der Kanzler, der gleichzeitig auch Vorsitzender der konservativen Volkspartei ist, erklärte am Montag Nachmittag, dass seine Regierung Anfang nächster Woche die Selbstauflösung des Parlaments beantragen werde. Da sich inzwischen alle im Parlament vertetenen Parteien für vorgezogene Neuwahlen ausgesprochen haben, gilt der Weg dorthin nurmehr als Formsache. Als wahrscheinlichen Wahltermin nannte der österreichische Nationalratspräsident Heinz Fischer (SPÖ) den 24. November.

Faktischer Regierungsrücktritt

FPÖ Pressekonferenz mit Susanne Riess-Passer
FPÖ-Chefin Riess-Passer und Klubobmann (Fraktionschef) Peter WestenthalerBild: AP

Spannend war der politische Montag Nachmittag in Wien: Nach einem Gespräch zwischen Kanzler Wolfgang Schüssel, Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ) und Bundespräsident Thomas Klestil (ÖVP) hieß es noch, die Regierung bleibe in der jetzigen Besetzung bis zum FPÖ-Parteitag im Oktober im Amt. Nur wenige Minuten später trat Schüssel vor die Presse und erklärte baldige Neuwahlen zum Regierungsziel. Ob dies nun einem Rücktritt der Regierung gleich kommt, blieb zunächst unklar. "Dies ist ein von der Regierung betriebener Auflösungsbeschluss des Parlaments", erklärte jedoch der österreichische Politikwissenschaftler und Direktor des Wiener Instituts für Konfliktforschung Anton Pelinka DW-WORLD gegenüber.

Wegen "a bisserl Regen"

Auslöser der Krise war der über Wochen andauernde Machtkampf innerhalb der FPÖ, zwischen den als "realpolitisch" geltenden Regierungsmitgliedern mit Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer an der Spitze und dem immer noch starken Mann der Partei, dem Kärtner Landeshauptmann Jörg Haider. Die Regierung wollte eine lange geplante Steuerreform wegen des Jahrhunderthochwassers Anfang August verschieben. So sollten die Millionenschäden finanziert werden. Dagegen mobilisierte Haider die eigene Parteibasis. Wegen "a bisserl Regen", wie es der immer zu einem unkorrekten Spruch aufgelegte Haider ausdrückte, sollte "der kleine Mann" nicht benachteiligt werden. Die FPÖ-Minister verloren den Rückhalt der eigenen Partei und traten der Reihe nach zurück.

Auf den heutigen Bruch der Regierung, haben allerdings Kanzler Schüssel und die ÖVP selbst hingearbeitet. Seit dem Antritt der jetzigen ÖVP-FPÖ Regierung im Februar 2000 sind schon vier Minister gegangen, jedesmal wurde Ersatz bestellt. Doch diesmal legte sich Schüssel bewusst schon im Vorfeld fest: "Ich gedenke meine Regierungsmannschaft nicht zu ändern" betonte er. Nun, nach dem Rücktritt all seiner FPÖ-Minister verkündte er auch das Ende der Koalition: "Teile der FPÖ haben die Regierung von innen gesprengt."

Tickende Bombe EU-Erweiterung

Jörg Haider
Kärntens Landeshauptmann Jörg HaiderBild: AP

Der eigentliche Sprengsatz war aber vielleicht gar nicht die Steuerreform, sondern die "tickende Bombe" der EU-Ost-Erweiterung, die im nächsten Jahr ansteht. Zu den Forderungen der rebellierenden FPÖ-Basis an ihre Vorsitzende Riess-Passer kam am Wochenende das Verlangen dazu, einen Ausschuss einzuberufen, der die Möglichkeiten eines österreichischen Vetos gegen den Beitritt Tschechiens zur EU ausloten solle. "Haider wollte immer verhindern, dass seine Partei als Regierungspartei einer EU-Osterweiterung zustimmen müsste", so der Politologe Pelinka gegenüber DW-WORLD. "Die ÖVP war immer die entschiedenste pro EU-Partei in Österreich, die FPÖ immer das genaue Gegenteil, das ist durch den Koalitionspakt nur verdeckt worden." Eigentlich habe Haider einen Absprung von der Regierung in letzter Minute gewollt, um dann einen Anti-Tschechien Wahlkampf führen zu können.

In Österreich wird nun generell über die Koalitionsfähigkeit der FPÖ diskutiert. "Regieren in der Regierung und opponieren an der Basis, das geht nicht. In keiner Demokratie", schrieb Noch-Kanzler Schüssel seinem verflossenen Partner zum Abschied ins Stammbuch.