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Schöpferische Zerstörung

Karl Zawadzky15. April 2002

Der Staat fängt Großpleiten nicht mehr auf. Die Deutschland AG in Auflösung? Karl Zawadzky kommentiert.

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"Auf Schulden reitet das Genie zum Erfolg", lehrte der große deutsche Ökonom Joseph Schumpeter. Doch mancher vergaloppiert sich. Leo Kirch zum Beispiel ist wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit vom Erfolg verlassen worden. Doch nicht nur Kirchs Medienkonzern hat Insolvenz anmelden müssen. Der Baukonzern Holzmann, erst vor zwei Jahren effektvoll von Bundeskanzler Gerhard Schröder am Abgrund gerettet, ist pleite. Ebenso der Flugzeughersteller Dornier, der Büroartikelproduzent Herlitz.

Im Grunde genommen pleite ist auch der Berliner Bank-Konzern. Die Bank am Leben zu erhalten, kann für das Land Berlin noch unbezahlbar teuer werden und in einem Haushaltsnotstand enden. Dann wäre der Bund gefordert, der sich bei Krisen privater Unternehmen seit jüngster Zeit auffallend zurückhält. Und das ist gut so. Denn zu oft ist schlechtem Geld noch gutes Geld des Steuerzahlers hinterher geworfen worden.

Die überkommene Industriepolitik, vor Jahren noch ein Ruhmeszeichen für jeden Ministerpräsidenten, ist an ihre Grenze angelangt. Die Deutschland AG ist in Auflösung begriffen. Die Verflechtung der großen Unternehmen passt nicht mehr zum frischen Wind der Globalisierung. Deutschland AG - das bedeutet: Man kennt sich, man hilft sich. So hat einst der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer den Kölschen Klüngel definiert.

Die großen Unternehmen, die Banken und Versicherungen sind hier zu Lande eng verbunden. Das gilt nicht nur für den Anteilsbesitz etwa der Banken und Versicherungen an Industrie- und Handelskonzernen, sondern ebenso für die Aufsichtsräte. Dieses Geflecht verschafft manchen Vorstandsherren ein schönes Zubrot. Es verbindet. Und geht etwas schief, meist durch Missmanagement, dann hilft der Staat mit einer Bürgschaft weiter.

Zu gern haben sich Politiker als Förderer der Wirtschaft und als Retter von krisengeschüttelten Unternehmen feiern lassen. Doch der rheinische Kapitalismus funktioniert nicht mehr. Seine bayerische Variante ist gerade in der größten Unternehmenspleite seit Bestehen der Bundesrepublik geendet.

Der Kirch-Medienkonzern steht unter Insolvenzverwaltung. Staunend fragt sich das Publikum, wie Banken Kirch Kredite über 6,5 Milliarden Euro geben konnten, vorneweg die staatliche bayerische Landesbank. Zu spät ist Ministerpräsident Edmund Stoiber auf Distanz gegangen; seine wirtschaftspolitische Kompetenz wird in Frage gestellt.

Natürlich kommt die Kirch-Pleite dem Kanzlerkandidaten ungelegen, aber im Grunde genommen ist nichts dagegen einzuwenden, dass Unternehmen unter der Last ihres Mißerfolgs und ihrer Schulden zusammenbrechen, dass Unternehmen, ja auch ganze Branchen aus dem Wettbewerb ausscheiden, dass Altes vergeht und Neues entsteht. Joseph Schumpeter hat dafür den Begriff der "schöpferischen Zerstörung" geprägt. Es macht keinen Sinn, diesen Prozeß aufzuhalten.