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Schöne Weihnachten, Deutschland AG!

Nina Werkhäuser22. Dezember 2003

Vielleicht liegt's an der Jahreszeit. Auf jeden Fall hatte der Regierungssprecher aus der letzten Kabinettssitzung vor Weihnachten nur eines zu berichten: Lob, Zufriedenheit, Frohsinn.

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Die Minister seien allesamt so glücklich über das Reformwerk des Bundeskanzlers, dass sie ihm in der Sitzung gedankt und ihn für seine "hervorragenden Leistungen" gelobt hätten. Quasi als ideelles Weihnachtsgeschenk. "Das Lob wirkte spontan", ergänzte der Regierungssprecher auf Nachfrage und sorgte damit für den Lacher des Tages. Über weitere Geschenke im Kabinett gab er zwar keine Auskunft, aber ist nicht ohnehin ziemlich klar, was jeder bekommt?

Asyl in der Alpenrepublik?

Für Finanzminister Hans Eichel gibt's einen Rechenschieber zu Weihnachen, denn er hat sich bei den Verhandlungen über die Steuerreform so kläglich verrechnet wie ein Schüler in der Mathearbeit. Verkehrsminister Manfred Stolpe darf sich über eine Recherchereise nach Österreich freuen. Dort wird am 1. Januar planmäßig die Maut für Lastwagen eingeführt, mit einem simplen, aber effektiven System. In Deutschland, wo alles immer etwas komplizierter sein muss, klappt es leider so gar nicht. Technische Pannen bringen Verluste in Millionenhöhe und Stolpe in Bedrängnis. Vielleicht bekäme er auch Asyl im Nachbarland, wenn das Projekt gänzlich scheitern sollte?

Verteidigungsminister Peter Struck, passionierter Pfeifenraucher, hat von seinen Soldaten schon Tabak und ein Notfallkästchen mit einem "Geduldsfaden" bekommen. Vom Kanzler gibt's dazu ein Zehner-Abo für Beraterverträge zur Reform der Bundeswehr. Da diese als schwerfällig und eher beratungsresistent gilt, kann das nicht schaden - und teure Einzelverträge sind, wie wir in jüngster Zeit mehrfach beobachten konnten, immer ein Stein des Anstoßes.

Mangel an Optimismus und Kaufrausch-Defizit

Für Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement wurde ein Glossar zur modernen Arbeitswelt erstellt. Denn der Umgang mit Ich-AGs, Personalservice-Agenturen und der BundesAGENTUR für Arbeit (nicht mehr BundesANSTALT, das klingt zu sehr nach Behördenmief) erfordert eine erweiterte sprachliche Kompetenz, über die nicht jeder Bundesbürger automatisch verfügt. Für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wurde endlich ein Internet-Anschluss gelegt, damit sie sich Medikamente online bei Doc Morris bestellen kann. So lassen sich vielleicht die höheren Zuzahlungen für die Patienten ausgleichen, die für das nächste Jahr vorgesehen sind.

Und was ist mit uns? Wir Bürger zahlen im nächsten Jahr weniger Steuern (Teil eben jenes Reformwerks, für das der Kanzler von seinem Kabinett gelobt, das aber von der Opposition im Bundesrat ziemlich gestutzt wurde), dafür aber beim Arzt zehn Euro Praxisgebühr und noch sonst so einiges mehr. Außerdem warten wir weiter auf den Wirtschaftsaufschwung und grübeln, ob wir uns selbst durch mehr Hingabe an den Kaufrausch daran beteiligen sollen. So richtig optimistisch ist die Stimmung hierzulande noch nicht, aber trotzdem erst einmal: Schöne Weihnachten aus Berlin!