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Primat des Islam

Claudia Witte (bea)12. Februar 2009

Nach Deutschland, Russland und China präsentierte auch Saudi Arabien vor dem UN-Menschenrechtsrat, wie es um die Menschenrechte im Land bestellt ist. Deutschland fällt bei der Beurteilung eine besondere Rolle zu.

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Symbolbild: das verschleierte Gesicht einer Frau, überlegt mit der Flagge des UN-Menschenrechtsrats
Saudi-Arabien: Der Islam steht über den MenschenrechtenBild: picture-alliance/ dpa/ AP/ DW-Fotomontage

Auf der Weltkarte der Menschenrechte ist Saudi-Arabien ein dunkler Fleck. Frauen haben dort den Status von Menschen zweiter Klasse. Es darf angenommen werden, dass die Behörden im Anti-Terror-Kampf nicht zimperlich vorgehen. Bekannt ist zudem, dass selbst Minderjährige nicht vor der Todesstrafe sicher sind.

Und trotzdem ist Saudi-Arabien bislang durch alle menschenrechtlichen Überprüfungsraster gefallen. Das Land hat es sogar geschafft, von einer Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten in den Menschenrechtsrat gewählt zu werden. Dort unterzog es sich Anfang der Woche der Universal Periodic Review, kurz UPR genannt, dem Überprüfungsverfahren zur Einhaltung der Menschenrechte.

Der saudi-arabische König Abdullah (rechts) empfängt Chinas Präsidenten Hu(links) auf dem Flughafen in Riad. Im Hintergrund mehrere saudi-arabische Männer (dpa)
Zwei Länder, in denen es noch "Verbesserungsbedarf"bei den Menschenrechten gibt: Der saudi-arabische König Abdullah empfängt Chinas Präsidenten Hu in RiadBild: AP

"Saudi-Arabien gehört nicht in den Rat"

Ein absoluter Widerspruch, findet Theodor Rathgeber vom Forum Menschenrechte, dem Dachverband der Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, die sich mit dem Thema "Menschenrechte" befassen. Denn eigentlich gehöre Saudi-Arabien nicht in den Rat.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen habe beschlossen, dass die Mitglieder des Rates höchsten Ansprüchen der Menschenrechtsstandards genügen müssten. "Und da", so Rathgeber, "geht es eigentlich nicht, dass ein Vertreter des Staates expressis verbis sagt, die Universalität der Menschenrechte hört dort auf, wo der Friede im eigenen Land bedroht ist". Und der Friede in Saudi-Arabien werde dann bedroht, so der deutsche Menschenrechtler, "wenn es gegen die Scharia geht und aus ihr abgeleitete mindere Rechte für Frauen".

Islam steht über Menschenrechten

Saudi-arabische Männer weben Koran-Verse in ein Tuch (dpa)
Saudi-arabische Männer weben Koran-Verse in ein Tuch. Das "Heilige Buch" bestimmt das Leben im Land.Bild: picture-alliance / dpa

Die Vertreter Saudi-Arabiens haben bei der Anhörung in Genf keinen Zweifel gelassen: In ihrem Land müssen sich die Menschenrechte den Gesetzen des Islam unterordnen. Folgerichtig erklärte der Vizepräsident der saudischen Menschenrechtskommission, Dr. Zaid Al-Hussein: Weil die Regierung sich streng an die Vorgaben des Koran halte, gebe es in Saudi-Arabien kein grundsätzliches Menschenrechtsproblem, sondern allenfalls "vereinzelte individuelle Verfehlungen". Und in Genf gab es keine saudische Stimme, die dieser Darstellung widersprochen hätte.

Lange Liste von Verstößen

In vollständiger Abwesenheit von Vertretern saudi-arabischer Nichtregierungsorganisationen fiel es dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und internationalen Nichtregierungsorganisationen zu, die Probleme beim Namen zu nennen: In kaum einem Land der Welt werden so viele Hinrichtungen durchgeführt wie in Saudi-Arabien. In kaum einem Land der Welt werden Frauen so stark diskriminiert wie in Saudi-Arabien. Auch Gewalt gegen Frauen ist ein weit verbreitetes Problem. Das Hochkommissariat zeigte sich außerdem besorgt über zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlung, von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen ohne Gerichtsurteil. Die Liste der Menschenrechtsverletzungen ist lang und im internationalen Vergleich sind die Verstöße gravierend.

Besondere Rolle Deutschlands

Merkel (rechts) und König Abdullah (links) hören die Nationalhymne beim Besuch des Königs in Deutschland im Jahr 2007 (dpa)
An guten Beziehungen interessiert: Die Kanzlerin empfing König Abdullah 2007Bild: picture-alliance / dpa

Deutschland kommt im Überprüfungsverfahren Saudi-Arabiens eine besondere Rolle zu: als eines von drei per Los ermittelten Mitgliedern einer so genannten Troika, überprüfen deutsche Diplomaten den zusammenfassenden Bericht zur Menschenrechtssituation in Saudi Arabien auf Fairness und Ausgewogenheit.

Michael Klepsch von der deutschen UN-Vertretung in Genf macht deutlich, dass es bei der Anhörung ruhig zuging. Es hätten sich extrem viele Staaten gemeldet. Sehr viele "ermutigende freundliche Kommentare, Fragen und Empfehlungen" seien gekommen, vor allem aus Saudi-Arabien benachbarten Staaten. Kritische Fragen seien hauptsächlich von westlichen Staaten gestellt worden. Klepsch betont: "Hier geht es nicht darum, zu verurteilen, sondern eben Fragen zu stellen, Empfehlungen auszusprechen, in der Hoffnung, dass auch der Staat, der sich hier stellt, von diesen Empfehlungen das eine oder andere aufnimmt."

Viel Raum für Interpretationen

Das Länderexamen vor dem Menschenrechtsrat soll nach dem Willen der UN als konstruktiver interaktiver Dialog geführt werden. Aber davon war nach Ansicht von Theodor Rathgeber vom "Forum Menschenrechte" bei der Befragung des saudi-arabischen Vertreters nicht viel zu hören. Es sei viel Routine im Spiel gewesen, mit "einem bedenklichen Hang zur Beschönigung". Die Art der Empfehlungen und der Fragestellungen habe dem saudi-arabischen Vertreter viel Interpretationsspielraum gelassen.

"Man kann darum bitten, dass es ein Moratorium zur Todesstrafe gibt". Gleichzeitig müsse aber auch gefragt werden, in welchem Zeitraum die Regierung gedenke, so ein Moratorium zu etablieren, damit mehr Zugzwang entstehe. "Und das war", so der deutsche Menschenrechtler, "wenn überhaupt, die große Ausnahme".