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Sarkozy plant Bußgeld für Burka-Trägerinnen

7. Januar 2010

Seit Wochen gärt in Frankreich ein Streit über ein Kleidungsstück. Jetzt sickert durch: Mit 750 Euro Geldbuße soll das öffentliche Tragen der Burka, des islamischen Ganzkörperschleiers, bestraft werden.

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Raymond Forni hört einer Burka-Trägerin zu (Foto: dpa)
Frankreich und die Burka-Diskussion: Hier hört der Sprecher des französischen Parlaments einer verschleierten Frau zuBild: picture-alliance / dpa

Für Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist klar: Die Burka ein Symbol für Knechtschaft und Erniedrigung, und da gilt es ein paar grundsätzliche Fragen der Demokratie gerade zu rücken: "Die Grundlage der Demokratie ist die Möglichkeit, dem Anderen ins Gesicht zu blicken; im Gegensatz zu früheren Zeiten, als der Leibeigene den Blick vor seinem Herrn senken musste. Wir mussten einen weiten Weg zurücklegen, um dahin zu gelangen. Und die Frauen unseres Landes haben noch mehr Zeit gebraucht, um ihre Lebensbedingungen zu ändern." Reitet Sarkozy plötzlich auf einer neuen Welle der Emanzipation der Frau? Nein, er hat nur einen klaren Standpunkt: "Machen wir ein für alle Male Schluss mit dieser Burka-Geschichte, und zwar ohne Komplexe. Stehen wir zu dem, was wir sind: Ein Volk mit unverdecktem Gesicht."

750 Euro Geldstrafe geplant

Sarkozy gestikulierend (Foto: AP)
Beim Thema Burka kennt Nicolas Sarkozy kein PardonBild: AP

Mit 750 Euro Geldbuße soll darum in Frankreich das öffentliche Tragen der Burka, des islamischen Ganzkörperschleiers, bestraft werden können. Das berichtete der französische Rundfunksender "France Info" unter Berufung auf einen Gesetzentwurf der Regierungspartei UMP, der in den kommenden zwei Wochen im Parlament eingebracht werden solle. Für Personen, die eine Frau zum Tragen der Burka verpflichteten, sollten noch höhere Strafen möglich sein, zitierte der Sender den UMP-Fraktionsvorsitzenden Jean-Francois Cope. In den vergangenen Monaten hatte dazu eine Expertenkommission sich mit vielen Burka-Trägerinnen in Frankreich unterhalten.

Das geplante Burka-Bußgeld hat in Frankreich seine Gegner: Gegen ein gesetzliches Burka-Verbot hatte sich zuletzt nach den oppositionellen Sozialisten auch der Vorsitzende des rechtsextremen Front National, Jean-Marie Le Pen, ausgesprochen. Zudem ist man auch in der Regierungspartei UMP unterschiedlicher Auffassung über den Sinn und Unsinn eines Verbotes. Auch die christlichen Kirchen sind gegen das Gesetzesvorhaben der UMP. Der korsische Bischof Jean-Luc Brunin bezeichnete das geplante Burka-Verbot als "kontraproduktiv und einen großen Fehler". Laut Regierungsangaben soll es in Frankreich etwa 2000 Frauen gegeben, die regelmäßig eine Burka tragen.

Bielefeldt ist gegen Burkaverbot

Bielefeldt im Portrait (Foto: Bielefeldt)
Heiner Bielefeldt hält ein Burka-Verbot für nicht sinnvoll

Auch in Deutschland wird die Diskussion der Franzosen verfolgt: Der frühere Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, zweifelt am Sinn eines Burka-Verbots. Der muslimische Ganzkörperschleier sei zwar mit der Religionsfreiheit nicht zu rechtfertigen, da er den Frauen ihre Individualität nehme. Ein Burka-Verbot könne aber zur Folge haben, dass die betroffenen Frauen nicht einmal das Haus verlassen könnten, sagte Bielefeldt der "Badischen Zeitung". Er nannte die Burka frauenfeindlich und unerträglich. Das muslimische Kopftuch bezeichnete er als "nicht verbotswürdig". Bielefeldt, der am 1. Januar die Leitung des Instituts für Menschenrechte abgab, wandte sich gegen unsachliche Pauschalkritik am Islam. Für ihn ist klar: Oft versuchten sich Rassismus und Abneigung gegen Ausländer mit dem Deckmantel von Religionskritik und Protesten gegen die Unterdrückung der Frau zu tarnen. "Hier posieren einige als Helden der Aufklärung, indem sie auf Minderheiten eindreschen", so der Nürnberger Professor für Menschenrechtspolitik.

Mitterand stürzt vom Roller

Detailstudie eines Motorrollers (Foto: dw)
Formschön, aber für französische Minister in Zukunft tabu: Motorroller

Und Sarkozy? Er verfolgt in der Diskussion eine klare Linie. Irritiert wirkte am Donnerstag die politische Öffentlichkeit in Paris, dass der Staatspräsident neben der Burka auch das Fahren von Ministern auf Motorrollern verbieten möchte: Nach einem Unfall seines Kulturministers hat Sarkozy den Regierungsmitgliedern das Motorrollerfahren strikt untersagt. "Wenn man Minister ist, dann gibt man seinen Motorroller auf", mahnte er sein Kabinett. Er bat die Minister, künftig ihre Dienstwagen mit Fahrer zu nutzen und forderte sie darüber hinaus auf, auch nicht mehr allein Zug zu fahren.

Etwas zerknirscht bestätigte anschließend Kulturminister Frédéric Mitterrand Journalisten, dass er künftig auf seinen Roller verzichten werde. Der 62-jährige Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten Francois Mitterand hatte sich im winterlichen Paris bei einem Sturz in der Nacht zu Montag auf eisglatter Straße an der Schulter verletzt. Er verbrachte die Nacht im Krankenhaus. Dabei sind in Paris Zweiräder oft die beste Möglichkeit, auf den verstopften Straßen voranzukommen. Das gilt für den Pariser Lebemann aus dem Cartier Latin genauso wie für den kulturaffinen Minister. Doch Sarkozy hat auch in dieser Frage ein Machtwort gesprochen.

Autor: Marcus Bölz (kna, epd, dpa)
Redaktion: Martin Schrader