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Sara: Ein Name mit Geschichte

Sarah Judith Hofmann 2. Januar 2014

Ab dem 1. Januar 1939 mussten deutsche Juden "typisch jüdische" Vornamen in ihre Pässe schreiben lassen. Männer hießen fortan offiziell Israel, Frauen Sara. Unsere Autorin trägt diesen Namen - heute, 75 Jahre später.

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Jüdischer Pass mit erzwungenem zweiten Vornamen: Susanne "Sara" Blumenthal, darüber gestempelt: "J" für "Jude" (Foto: picture-alliance/akg-images)
Erzwungener zweiter Vorname im Pass: Susanne "Sara" Blumenthal, darüber gestempelt: "J" für "Jude"Bild: picture-alliance/akg-images

Sarah ist in Deutschland heute kein außergewöhnlicher Name. Besonders in meiner Generation häufen sich die Sarahs. Ich bin 1983 geboren und von der Grundschule an brauchte ich einen Namenszusatz wie "Sarah H." oder "Sarah J.", da es mehrere von meiner Sorte gab. Zufall? Es mag nicht für alle Eltern gelten, aber meine haben mir gegenüber die Bedeutung dieses Namens immer betont. Sarah war der Name, den die Nazis jüdischen Frauen in ihre Pässe schrieben. Es ist der biblische Name von Abrahams Frau, der Mutter Isaaks, der Mutter aller Juden, Christen und Muslime. Von den Nazis degradiert zum Todeszeichen.

Meine Eltern - mehr oder weniger die 68er Generation, die gegen ihre Nazi-Eltern rebelliert hatten - konnten diese Verbrechen nicht wiedergutmachen, aber sie wollten ein Zeichen setzen. So gaben sie mir bewusst den Namen Sarah und erzählten mir schon als Kind von der Geschichte der deutschen Juden.

DW-Redakteurin Sarah Hofmann (Foto: DW)
DW-Redakteurin Sarah HofmannBild: DW/M. Müller

Nie zuvor jedoch war mir die Bedeutung dieses Namens so bewusst geworden, wie auf einer Reise für das Projekt "Spurensuche" der Deutsche Welle nach Litauen. In Vilnius, der Stadt, in der vor dem Zweiten Weltkrieg ein Drittel der Bevölkerung jüdischen Glaubens war und in der heute nur noch wenige Juden leben, habe ich als dritte Generation nach Kriegsende zum ersten Mal die Schuld der Täter gespürt. Mir kam es seltsam vor, mich den Zeitzeugen, die wir interviewten, als "Sarah" vorzustellen, so als habe ich nicht das Recht, diesen Namen zu tragen.

Bis ich Irena Veisaité traf. Die Goethe-Preisträgerin des Jahres 2012 hatte uns zum Interview in ihre Wohnung eingeladen. Sie berichtete uns von den Grausamkeiten der Nazis in Litauen, von ihrer Jugend im Ghetto Kaunas und von ihrer Liebe zur deutschen Sprache, die mit dem Hitlerregime, wie sie sagte, nichts gemein habe. Irena Veisaité hat mich in diesem Gespräch tief beeindruckt.

Irena Veisaité (Foto: DW/Isaiah Urken)
Irena Veisaité beim Tee in ihrer Wohnung in VilniusBild: DW/Isaiah Urken

Als wir uns nach Tee und Keksen von ihr verabschiedeten, nahm mich die zierliche Irena Veisaité plötzlich in den Arm und sagte: "Sarah, grüßen Sie Ihre Eltern von mir. Und sagen Sie Ihnen, wie viel es mir bedeutet, dass Sie Ihnen diesen Namen gegeben haben."

Ich stand vor dieser kleinen Frau, in der alle menschliche Größe steckte, und hätte beinah geheult.

Am 1. Januar 1939 trat die sogenannte "Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen" in Kraft. Damit sollten jüdische Deutsche anhand ihrer Namen kenntlich gemacht werden. Sofern sie nicht ohnehin bereits von den Nationalsozialisten als "typisch jüdisch" eingestufte Namen trugen, mussten sie ab diesem Zeitpunkt zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara in ihren Pass eintragen lassen. Es war ein weiterer Schritt der Diskriminierung der jüdischen Deutschen im Dritten Reich und der Organisation des Holocaust.