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Libyen Sanktionen

1. März 2011

Einstimmig besiegelten die 27 EU-Staaten die härtesten Strafen in der Geschichte der Gemeinschaft. Obwohl diese Sanktionen eher symbolischen Wert haben sind sie überfällig, meint Daniel Scheschkewitz im Kommentar.

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Bild: DW

Kein Land der Welt kann so tun, als gingen es die Schlächtereien im nordafrikanischen Wüstenstaat nichts an. Wo ein Diktator das eigene Volk auf die Schlachtbank führt, hat der Respekt vor staatlicher Souveränität seine Grenzen erreicht. Viel zu lange haben westliche Staaten den übergeschnappten Diktator an der Macht gehalten: ihn mit Waffen beliefert, die Gelder seines Clans auf Nummernkonten akzeptiert und ihm sogar persönlich seine Aufwartung gemacht.

Foto DW/Per Henriksen
Daniel ScheschkewitzBild: DW

Selbst die US-Regierung, die jetzt erfreulicherweise bei den Sanktionen die Initiative ergriffen hat, lobte Gaddafi jahrelang als neuen Verbündeten im Kampf gegen den Terror, als dieser sich aus Opportunitätsgründen vom staatlich sanktionierten Terror à la Lockerbie losgesagt hatte. Den Terror, den der selbst ernannte Revolutionsführer bei der Unterdrückung des eigenen Volkes ausübt, hat die internationale Staatengemeinschaft viele zu lange ignoriert. Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass die UNO Libyen noch 2010 in den eigenen Menschenrechtsrat aufnahm. Eine Entscheidung, die angesichts der aktuellen Menschrechtsverstöße noch bizarrer wirkt als sie es ohnehin schon war.

Die Sanktionen gegen Libyen werden weitere Massaker Gaddafis an seinem eigenen Volk möglicherweise nicht verhindern können. Aber sie isolieren den Tyrannen und seine Schergen vor der Weltöffentlichkeit und beschränken seine Fluchtmöglichkeiten auf wenige selbst isolierte Diktaturen wie Lukaschenkos Weißrussland oder Mugabes Zimbabwe. Und sie verhindern, dass er und seine Clique sich mit dem aus der Korruption von Staatsgeldern erschlichenen Privatvermögen einen schönen Lebensabend im Exil machen können, so wie andere Diktatoren Afrikas vor ihm.

Damit die Sanktionen aber mehr sind als bloße Kosmetik, muss auch das Waffenembargo konsequent durchgesetzt werden. Und nach dem Fall des Regimes müssen Strafverfahren vor dem internationalen Menschenrechtsgerichtshof gegen jene Regimemitglieder eingeleitet werden, die sich am Morden beteiligt haben. Für Verbrechen gegen das Völkerrecht darf es auch für arabische Ölpotentaten und ihre Helfershelfer künftig kein Pardon mehr geben. Gut, dass die USA in diesem Fall die Autorität des Haager Gerichts erstmals anerkannt haben.

Sollte Gaddafi weiterhin das Volk aus der Luft beschießen lassen, darf die UNO sich auch nicht scheuen, eine Flugverbotszone über den befreiten Zonen des Landes zu verhängen, die dann von den NATO durchgesetzt werden müsste. Mit dem Einfrieren der Konten des Gaddafi-Clans und seiner engsten Vertrauten ist einer erster Schritt getan - aber auch libysche Öllieferungen dürfen vorerst nicht dazu führen, dass Gaddafi sich an der Macht halten kann. Und für den für den Fall, dass es dem Schlächter von Tripolis gelingen sollte, sein Land nachhaltig ins Chaos zu stürzen, muss die UNO nun schleunigst humanitäre Hilfsaktionen vorbereiten. Nahrungsmittelhilfen, sichere Zonen für Flüchtlinge und der Schutz der lokalen Infrastruktur müssen dabei im Zentrum stehen.

Dann aber müssen umfassendere strukturelle Hilfen für Libyen und die demokratisierten Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens angegangen werden: ein Marshallplan für die Region, an dem sich der Westen insgesamt beteiligt. Nicht mehr aber auch nicht weniger wäre dem historischen Charakter dieser Revolutionen angemessen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Gero Rueter