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Samtbücher, die man riechen kann

24. Februar 2006

Bücher sind nach einer aktuellen Umfrage die klassischen Geschenke. Dabei können auch diese Geschenke ein durchaus sinnliches Vergnügen bereiten.

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Bücher sollen auch die Sinne ansprechenBild: dpa

Samt ziert ihren Umschlag, sie duften nach Lavendel, sind verspiegelt und mit Goldprägung geschmückt, sonstwie dekoriert oder mit eingeschweißten CDs bestückt: Die Buchbranche denkt sich einiges aus, um ihre Leser nicht nur mit schwarzen Buchstaben auf weißem Papier in (Kauf-)Stimmung zu versetzen.

Buchcover: Abedi - Hier kommt Lola!

Akustische Untermalungen der Texte gehören dabei schon zu den älteren Strategien der Verlage, die sich nun auch verstärkt bemühen, gleich mehrere Sinne des Lesers anzuregen: Er soll nicht nur mit dem Auge über die Zeilen schweifen, sondern riechen, hören und fühlen. Derlei Sonderausstattungen ziehen gerade im Vorweihnachtsgeschäft die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich.

Samt für das gediegene Bildungsbürgertum

"Touch" nennt der Rowohlt Verlag seine zeitlich begrenzte Aktion mit acht aufwändig gestalteten Taschenbüchern der Weltliteratur, die mit ihrer optisch edlen Gestaltung und samtartigen Oberfläche vor allem als Geschenk konzipiert sind. Mit dieser Aktion wolle der Verlag das "gediegene Bildungsbürgertum" mit seinem Sinn für Luxus und Ästhetik und seinem "überdurchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen" erreichen, sagt Lisa Berger von Rowohlt. Dabei kosten die "touch"-Bücher nur geringfügig mehr als herkömmliche Taschenbücher.

Duftkalender

Der Kunstverlag Weingarten veröffentlicht Kalender mit Duft - nach Lavendel, Kräutern und Gewürzen oder Kaffee. Der Duft wird freigesetzt, wenn man über das Papier streicht. Ein anderes Verfahren sind Duftöle, die der Druckfarbe beigemischt werden. Der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe hat aus Bob Dylans "Scrapbook" eine Fundgrube für Fans gemacht. In dem Buch finden sich unter anderem Kopien von Konzertkarten, handgeschriebenen Zetteln und Flyern.

Auch bei Kinder- und Jugendbüchern setzen sich sinnlich reizvolle Ausgaben immer mehr durch. Glitzersternchen, Reliefs und Fühlelemente oder Hörspielversionen bereichern das geschriebene Wort auch hier zusätzlich. Das "haptische Erlebnis" werde für die Leser immer wichtiger, sagt Dominik Nüse vom Bindlacher Verlag Loewe. Dabei seien Papierqualität und Druckbild deutscher Bücher im internationalen Vergleich ohnehin schon besonders gut. Anderswo könnten Bücher kaum noch von "zweilagigem Umwelttoilettenpapier" unterschieden werden.

Polysensual Branding

Nach Auffassung von Andreas Meyer vom Münchner Unternehmen Verlagsconsult ist "Sensual Shopping" ein Trend. In der Buchbranche hätten sich Marken für alle Sinne ("Polysensual Branding") zwar noch nicht durchgesetzt wie in anderen Sparten, in denen Produkte mit geschlossenen Augen erkennbar seien. Gleichwohl sieht auch der Marketingexperte die Bereitschaft vieler Verlage, ihre Bücher mit zusätzlichen sinnlichen Reizen zu versehen.

Buchcover: Brigitte Oleschinski - Geisterströmung

Den maritimen Gedichten von John Updike ("Geld") im Hamburger Marebuchverlag liegen Mini-CDs bei, auf denen der Altmeister persönlich einige seiner Gedichte rezitiert - ein besonderes Bonbon, denn Updike liest nie öffentlich. Armin Mueller-Stahls Buch "Venice" liegt in einer Sonderedition eine Originalgrafik des Künstlers bei. "Wie Gedichte singen" veranschaulicht eine CD, die der Verlag DuMont in Köln dem Lyrikband "Geisterströmung" von Petra Oleschinski beigefügt hat.

Im Arena Verlag erschien "Der Schrei des Falken" von Osanna Vaughn, ein Fantasy-Roman mit eigens dazu komponiertem Soundtrack auf CD. Piper hat mit der "Feuerpriesterin" von Monika Felten den zweiten Teil der Fantasy-Saga "Das Erbe der Runen" im Programm - ebenfalls mit Musik-CD.

Akustische Beigaben

Buchcover: Froschkonzert im Gartenteich

Bei Naturbüchern bieten sich akustische Ergänzungen des Textes ohnehin an: Im Stuttgarter Kosmos Verlag etwa sind Ausgaben wie das "Froschkonzert im Gartenteich" selbstverständlich mit einer CD versehen. Und im Loewe Verlag setzt vor allem die "Lola"-Reihe von Isabel Abedi sinnliche Akzente. Cooler Sound aus dem Saxofon untermalt die Abenteuer des "Detektiv John Chatterton", die der Frankfurter Moritz Verlag herausgibt, während die Buchgeschichte der "Prinzessin Murks" vom Stuttgarter Thienemann Verlag mit eigens komponierten Liedern und Hintergrundgeräuschen unterlegt wurde.

"Kunden sind keine Lesemaschinen", meint der Geschäftsführer der Aufbau-Verlagsgruppe (Berlin), Tom Erben, sondern Menschen mit dem Bedürfnis, Bücher mit all ihren Sinnen zu erfassen. Fast jeden historischen Roman ziere heute eine Goldprägung. Dabei sei das Buch selbst schon sinnlich: "Wer", fragt Erben, "liebt nicht das Rascheln der Seiten von antiquarischen Folianten?" (dpa/wga)