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Saddam Hussein

5. April 2003

Wer ist Saddam Hussein wirklich? Der grausame Diktator oder der verehrte Patriarch, ein skrupelloser Kriegstreiber oder ein gewiefter Staatsmann - oder alles in einer Person?

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Er stammt aus einfachsten Verhältnissen und dennoch hat er es bis ganz oben gebracht: Saddam Hussein, aus der Räuberhöhle Al Oujas, der sich aber lieber dem Ort Tikrit zuordnet, wo er bei einem Onkel aufwuchs, dessen Nationalismus und Bewunderung für die Nazis sicher ebenso prägend für den jungen Saddam waren wie daheim die Gemeinheiten des Stiefvaters.

Der Liebhaber schottischen Whiskys, kubanischer Zigarren, blonder Frauen und gefälliger Lobgesänge hat sicher alles erreicht, was ein Iraker mit diesem Hintergrund je hat erreichen können. Zielstrebig hat er sich in diese Position hineingearbeitet und hineingemordet. Denn das wird mehr als deutlich aus dem Buch des "Sunday-Telegraph" Chefredakteurs Con Coughlin: Die Karriere dieses Mannes ist gesäumt von Leichen.

Im Zweifel Mord

Manchmal wird es einem schon etwas zu viel auf den knapp 500 Seiten der Biografie: Da werden ausführlich die Morde beschrieben, die Saddam vorangebracht haben: Von der Ermordung eines Kommunisten in Tikrit über die Liquidierung von Konkurrenten aus dem eigenen Lager, die Massenhinrichtungen von Kommunisten, Juden oder auch von Offizieren, die in Ungnade gefallen waren. Selbst Verwandte und engste Freunde waren - und sind - vor Saddam nicht sicher, der jeden Zweifel beiseite schiebt: "Lieber einen Unschuldigen umbringen als einen Schuldigen leben lassen".

In vierzehn Kapiteln werden die verschiedenen Abschnitte der bisherigen Karriere Saddams beschrieben. Die Jugendzeit, seine ersten Versuche, sich als Tyrannenmörder zu bewähren, Flucht und Exil, Heimkehr und langsamer, aber unaufhaltsamer Aufstieg in Bagdad. Zunächst als "Stellvertreter" des immer machtloseren Präsidenten Al Bakr, dann als selbstherrlicher und sich selbst überschätzender Präsident.

Von Hitler und Stalin gelernt

Diese Überheblichkeit hat den Irak bereits zweimal ins Unglück gestürzt: Im langen Krieg gegen den Iran und dann wieder bei der Eroberung Kuwaits. Saddam absolvierte in Kairo nur unter Androhung von Gewalt die Oberschule, er verschaffte sich in Bagdad auf ähnliche Weise einen Jura-Titel und er ernannte sich selbst zum Feldmarschall, ohne auch nur die Aufnahmeprüfung in die Militärakademie bestanden zu haben. Aber er bestand immer wieder darauf, selbst zu entscheiden und misstraute all denen, die besser gebildet waren als er.

Saddams Lehrmeister und Vorbilder machen eine feine Gesellschaft aus: Von Hitler bis Stalin hat er gelernt, einen totalitären Staat mit allgegenwärtiger Kontrolle der Geheimdienste und erbarmungsloser Unterdrückung auch nur der leisesten Kritik, von der amerikanischen CIA hat er Hilfe im Krieg gegen den Iran bekommen und erste biologische Waffen, Franzosen verhalfen ihm - fast - zur Atombombe, Deutsche - wahrscheinlich - zu chemischen Waffen.

Unterstützt von Washington und Moskau

Saddam Hussein wurde allzu lange verkannt. Von den Irakern selbst, aber erst recht vom Ausland. Sonst hätte ihn nicht derselbe Donald Rumsfeld gegen den Iran aufgerüstet, der ihn heute entmachten will, sonst hätte Moskau ihn nicht unterstützt, während er im Irak selbst Kommunisten verfolgte.

Ein faszinierendes Buch, das natürlich auch über die wichtigeren historischen Entwicklungen im und um den Irak Aufschluss gibt. Irritierend sind aber die immer wieder vorkommenden Wiederholungen und noch mehr der Ton, in dem es immer wieder gehalten ist. Hierbei kommt immer deutlicher der Verdacht auf, dies sei "das Buch zum Krieg". Denn angesichts dieser Masse von Grausamkeiten vergeht auch die letzte Hoffnung, dass das Problem Saddam Hussein anders gelöst werden könnte als durch Gewalt.

Rezension: Peter Philipp

Bibliografische Angaben:
Con Coughlin
Saddam Hussein
List, 2002
3-471-77259-6
24.00 Euro