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Südamerikanischer Zwist

Detlev Karg7. Januar 2004

Die Unruhen in Bolivien im Herbst 2003 hatten sich am Erdgas entflammt. Dahinter steckt ein historischer Konflikt Boliviens mit Chile, der wohl eines der großen Probleme des anstehenden Amerikagipfels sein wird.

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Boliviens Präsident Carlos Mesa muss von inneren Problemen ablenkenBild: AP

Der Andenstaat machte in der Weltpolitik stets wenig von sich reden, was nicht zuletzt mit seiner Abgeschiedenheit zu tun hat. Diese rührt auch aus dem so genannten Salpeterkrieg von 1879 bis 1883, nach dem Bolivien seinen Zugang zum Meer 1904 endgültig einbüßte.

Diese Wunde schmerzt auch heute noch und sorgt für ein latent vergiftetes Klima. Bolivien und Chile unterhalten seit 1978, als Verhandlungen zwischen den damaligen Diktatoren Hugo Banzer und Augusto Pinochet um den Territorialstreit scheiterten, keine diplomatischen Beziehungen.

Ungelöste Frage

Der Streit mit Chile um einen Küstenstreifen für Bolivien weitet sich vor dem Lateinamerikagipfel am 11.1.2004 nun aus. Boliviens neuer Präsident Carlos Mesa fordert von Chile einen "souveränen Zugang zum Meer". Die Forderung zieht Kreise. Weil auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez diese Forderung der Regierung in Sucre unterstützte, berief Chile seinen Botschafter in Caracas ab. Selbst UN-Generalsekretär Kofi Annan unterstützt den bolivianischen Wunsch nach einem Meereszugang und hat dafür seine Dienste als Vermittler angeboten, ebenso wie Ex-US-Präsident Jimmy Carter.

Innere Probleme Boliviens ungelöst

Der Territorialstreit zwischen den beiden Nachbarländern hatte in den vergangenen Monaten Auftrieb erhalten, als der mittlerweile im Oktober durch einen Volksaufstand gestürzte bolivianische Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada vorschlug, das Erdgas des Andenlandes über eine Pipeline durch Chile an die USA zu exportieren. Daran entzündeten sich wochenlange gewaltsame Proteste, vor allem der Indios.

Gas ist vor Soja und dem Tourismus die wichtigste Einnahmequelle des Landes, doch nur wenig Geld kommt den Bolivianern zugute. Bei den Zusammenstößen mit Militär und Polizei starben mehr als 80 Menschen. Bis Ende Januar wollen die Indios der neuen Regierung eine Chance geben.

Im Hinterhof der USA

Im Hintergrund geht es also auch um den Freihandel mit den übermachtigen USA. Gerade deren Bestrebungen stoßen bei den Indiovölkern auf heftigen Widerstand, wie die bolivianischen Unruhen zeigten.

Die verarmten Indiobauern stellen für die meist hispanischen Regierungen Südamerikas ein ganz grundlegendes Problem dar. Stets als Bodensatz der Gesellschaft behandelt, wehren sie sich nun in den Zeiten der Globalisierung immer heftiger gegen Freihandel, zumal mit billigen Agrarprodukten etwa aus den USA, weil ihnen die Existenzgrundlage abhanden zu kommen droht. Die Regierungen in den Hauptstädten hingegen stehen vor der Wahl, ihre durch Diktaturen und Misswirtschaft gebeutelten Staaten grundlegend zu modernisieren und fit zu machen für den Weltmarkt.

US-Farmer könnten profitieren

Die von den USA propagierte gesamtamerikanische Freihandelszone ließe dank der Agrarsubventionen freilich Amerikas Farmer profitieren. Derzeit binden die Amerikaner ihre Partner einzeln an sich. Chile etwa hat grünes Licht für den Freihandel gegeben. Dagegen steht die südamerikanische Freihandelszone Mercosur, an der auch Brasilien, Argentinen, Paraguay, Uruguay und Bolivien beteiligt sind.

Bolivien ist heute eines der ärmsten Länder der Welt und eines von vier Schwerpunktländern deutscher Entwicklungszusammenarbeit bei der Armutsbekämpfung im Rahmen des Aktionsprogramms 2015.